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Zehn Jahre nach dem Tsunami

In den Morgenstunden des zweiten Weihnachtstages 2004 überrollt die Jahrtausendwelle Sri Lanka, zehn Jahre später zieht Michael Kreitmeir Bilanz:


Hier die zehn mir am häufigsten gestellten Fragen zum Thema „10 Jahre nach der Tsunamikatastrophe“ mit dem Versuch sie so einfach und ehrlich wie nur möglich zu beantworten:

1. Wie stark hat der Tsunami Sri Lanka getroffen?

Eines der stärksten Erdbeben (9.1) mit dem Epizentrum 85 Kilometer vor der Nordwestküste Sumatras löste den schlimmsten bekannten Tsunami in der Geschichte der Menschheit aus. Am Härtesten getroffen wurde Sumatra, mit mehr als 170.000 Toten, gefolgt von Sri Lanka mit etwa 38.000 Toten.
In Sri Lanka gab es durch die Jahrtausendwelle noch etwa 23.000 Verletzte, 516.000 Menschen wurden obdachlos. Weite Teile der Ost- und Südküste wurden auf einem Streifen von 250 bis zu 3000 Metern völlig zerstört.
Insgesamt wurden 537 Opfer aus Deutschland identifiziert, der überwiegende Teil waren Touristen in Sri Lanka.
Am Schlimmsten traf es in Sri Lanka die Ampara Provinz mit 10.436 Toten, ein Großteil davon in der Stadt Kalmunai.

2. Wie hat der Verein "Little Smile" geholfen?

Die vom deutschen Regisseur und Filmemacher Michael Kreitmeir gegründete Kinderhilfsorganisation Little Smile ist seit dem Jahr 1998 in Sri Lanka tätig. Im Jahr 2002 wurde sie vom Sozialministerium als lokale Nichtregierungsorganisation registriert. Durch die jahrelange Arbeit, die daraus resultierende Erfahrung und ganz besonders auch die Kontakte in Sri Lanka war Little Smile in der Lage, sehr rasch da zu helfen, wo Hilfe am dringlichsten war, etwa in der vom Bürgerkrieg betroffenen und vom Tsunami besonders stark heimgesuchten Stadt Kalmunai.

3. Welche Projekte hat "Little Smile" nach den Verwüstungen gestartet?

Das erste Projekt überhaupt war die Soforthilfe in Kalmunai. Unterstützt von „Apothekern ohne Grenzen“ brachten wir dringend benötigte Arzneimittel in die Krisenregion und lieferten sie direkt bei den Ärzten unseres Vertrauens ab. Diese wiederum erstellten neue Listen von dringend benötigter Medizin, die wir sofort an „Apotheker ohne Grenzen“ weiterleiteten. Den Transport und die Kontrolle übernahmen wir. Auf diese Weise konnten wir mithelfen, dass keine Seuchen in Kalmunai ausbrachen und Verletzte rechtzeitig Hilfe bekamen.
Angesichts der Not und des Sterbens aufgrund von Mangel an geeigneten Medikamenten entstand der Plan, ein großes Medizinlager zu errichten, von dem aus die ganze Provinz beliefert werden konnte. Trotz wiederaufflammender Kämpfe ab 2006 verwirklichten wir auch dieses Projekt, wobei Michael Kreitmeir hier Planung, Baukontrolle und Bauleitung übernahm und vor Ort oft sogar sein Leben riskierte.
Erfahrungen mit Baufirmen und Arbeitern sammelten wir bereits vorher beim Wiederaufbau von Häusern für vom Tsunami betroffene Familien.

Hilfe zur Selbsthilfe stand im Vordergrund der Bootprojekte von Little Smile an der Süd- und Ostküste. So bekamen Fischer, die nachweislich ihr Boot und damit ihre Lebensgrundlage durch den Tsunami verloren hatten, einen zinslosen Kredit, um von Little Smile vorfinanzierte Boote und Netze zu kaufen. Vom Ertrag mussten sie dann diesen Kredit innerhalb von 5 Jahren in einen Fond zurückbezahlen, aus dem Tsunamiwitwen unterstützt wurden und zwar immer aus der gleichen Gemeinde, aus der auch die Fischer kamen. Mit Hilfe von Little Smile war vorher ein Verein gegründet worden, durch den die Fischer selbst die Verteilung der zurückbezahlten Kredite organisierten und kontrollierten.
Wir wollten damit deutlich machen, dass Jeder, dem geholfen wird, auch Verantwortung trägt für andere, die ebenfalls von der Katastrophe betroffen waren.
Da die meisten Spendengelder 2005 und 2006 projektgebunden waren, also nur für Hilfe für Opfer der Tsunamikatstrophe verwendet werden durften, lief Little Smile Gefahr, seine Arbeit für Kinder in Not in der ärmsten Region Sri Lankas, der UVA Provinz, zu vernachlässigen. Eine Konsequenz: Ich musste schweren Herzens mein Leben in Deutschland völlig aufgeben, um ganz für die neue zusätzliche Aufgabe zur Verfügung zu stehen ohne dass die Kinder in den Bergen Sri Lankas vergessen worden wären. Bald brach zudem der Bürgerkrieg wieder aus, was die Arbeit im Osten sehr erschwerte und auch riskanter machte. Ab Ende 2006 wurde es immer gefährlicher in den Norden der Insel zu fahren und so beschloss ich, mich selbst um die Projekte im Osten zu kümmern, etwa den Bau des Medizinlagers, einer internationalen Schule und von drei Kinderheimen, sowie zahlreichen Tsunamihäusern und Bildungsprojekten. „Ich kann Niemand befehlen, sein Leben für Andere zu riskieren aber ich kann diese Entscheidung für mich selber treffen“. Die Aufbauarbeiten an der Südküste kamen dadurch ins Stocken und wurden teilweise zurückgestellt.
Ich setzte bei allen Projekten auf absolute Kontrolle der Ausgaben, wodurch ich mir auch bei den eigenen Mitarbeitern Feinde machte. Letztlich konnten so aber alle begonnen Vorhaben auch abgeschlossen und übergeben oder von Little Smile selbst weitergeführt werden. Dies war in Sri Lanka ganz und gar nicht die Regel.  


Hier eine Auswahl der durch Little Smile realisierten Hilfsprojekte in Folge der Tsunamikatastrophe:
Ostküste:
Bau von Booten für Fischer (Übergabe 2005)
Wiederaufbau von zwei Kinderhäusern bei Batticaloa und Neubau von zwei weiteren Häusern für Mädchen in Not (Unterstützung bis heute).
Bau von 10 Wohnhäusern für Tsunamiopfer (Übergabe 2005 und 2006)
Bau eines dreistöckigen Medizinlagers im Ashraff Memorial Hospital in Kalmunai (Übergabe an die Regierung 2009)
Bau eines Ausbildungskrankenhauses für Naturmedizin in Buttala (Träger ist die Little Smile Assoziation)
Bau einer Internationalen Schule in Kalmunai (Übergabe 2011)
Südküste:
Bau eines großen Fischkutters (Übergabe 2005)
Bau von 5 Tsunamihäusern (Übergabe 2005 und 2006)
Bau eines Förder- und Ausbildungszentrums (Übergabe 2009)
Bau eines Meditations- und Friedenszentrums (Übergabe 2011)
Zentrales Bergland:
Bau von 5 Mutter-Kind-Häusern in der UVA Provinz
Ausbau des Bubenhauses auf Hill Top (bei Koslanda)
Übernahme der Verantwortung für 4 weitere Kinderhäuser in der UVA Provinz


Daneben gab und gibt es zahlreiche kleinere und Kleinstprojekte aber auch Hilfe beim Neubau oder Wiederaufbau von Gemeindezentren, Kindergärten und Vorschulen, buddhistischen und hinduistischen Tempeln.

4. Welche Vorhaben laufen noch weiter?

Nachdem 2010 mit dem Meditations- und Friedenszentrum an der Südküste bei Galle das letzte große Bauprojekt im Rahmen der Tsunamihilfe abgeschlossen und Anfang 2011 an das Buddhistische Kulturzentrum Colombo übergeben werden konnte, blieben in der direkten Verantwortung von Little Smile:
Ausbildungskrankenhaus für Naturmedizin in Buttala
Kinderdorf Mahagedara bei Koslanda
Bubenheim Hill Top bei Koslanda
Kinderheim bei Batticaloa
Förderschule Koslanda
Sieben Mutter-Kind Häuser in der UVA Provinz

In Zusammenarbeit mit kleinen lokalen Organisationen oder Vereinen:
Internationale Schule in Kalmunai
Kinderheim in Monaragala
Bubenheim in Tissamaharama
Mädchenheim in Badulla
Zwei Mädchenheime in Palugamam
Buddhistischer Tempel mit 48 Kindermönchen in Nikkapotha
Zwei hinduistische Tempel in Poongala
Dorfzentrum Gampaha
Hilfszentrum für Erdrutschopfer Koslanda
4 Wohnhäuser und eine Halle für Erdrutschopfer in Koslanda

5. Wer hat am meisten geholfen?

Vor Ort konnten wir uns in der ersten Phase bei der Soforthilfe besonders auf „Apotheker ohne Grenzen“ verlassen, die schnell und unbürokratisch die lebensnotwendige Medizin zur Verfügung stellten und uns später beim Bau des Medizinlagers finanziell unterstützten. 
Mein Sohn Manuel, der zu der Zeit ein soziales Praktikum in Little Smile leistete war zudem vor Ort eine wertvolle Hilfe, weil ich ihm uneingeschränkt vertrauen konnte. Überhaupt war es meine deutsche Familie, allen voran meine Frau Elke, die bis heute dafür sorgen, dass Little Smile auch in Deutschland einen Ansprechpartner hat.
Als Spender herausragend waren die vier bayerischen Städte Lindau, Landshut, Füssen und ganz besonders Eichstätt. Überhaupt kam fast alle Hilfe für Little Smile aus Bayern, so auch die Firma Bosch Siemens Hausgeräte aus München und UVEX aus Fürth. Außerhalb des Freistaates hervorzuheben ist die Saarbrücker Zeitung.

6. Wie hat sich das Spenden-Aufkomen entwickelt?

2005 stiegen die Spenden rapide an, 2006 war auch noch ein gutes Jahr, 2007 dann deutlich weniger und ab 2008 waren wir in etwa wieder auf dem Spendenstand von vor der Tsunamikatastrophe. Der überwiegende Teil der Spenden in den Jahren 2005 bis 2007 waren zweckgebunden für die Tsunamihilfe und wurden daher auch nur zu diesem Zweck verwendet.
Heute müssen wir den überwiegenden Teil der Betriebs- und Unterhaltskosten unserer Sozialprojekte selbst erwirtschaften, etwa durch den Anbau und Vertrieb von organischen Gewürzen in der Farm in Dikkapitiya. Wir wollen auch keine Bettler sein sondern selbst etwas leisten und dafür fair entlohnt werden. So hilft der Kauf jeder Dose Pfeffer, Nelken oder Zimt sowie des Eliya Tees mit, dass wir in Sri Lanka auch weiterhin Kindern in Not ein Zuhause, Sicherheit, Ausbildung und ein Lächeln schenken können (Siehe www.littlesmileorganic.com und www.eliyateaproject.com).

7. Wie beschreiben Sie die aktuelle Lage in Sri Lanka - zehn Jahre nach der Flut-Katastrophe?

Es ist unendlich viel passiert in dieser Zeit. Zweifelsohne wurde viel getan nach der Jahrhundertwelle, aber als die meisten Hilfsorganisationen dann mit dem Heer der Kameras zur nächsten Katastrophe weitergezogen waren, begann für die im Land verbliebenen Helfer eine harte Zeit. Besonders nach dem Ende des über 25jährigen Bürgerkrieges mit der völligen Vernichtung des tamilischen Separatisten am 18. Mai 2009, gerieten die Nichtregierungsorganisationen in den pauschalen Verdacht, die Terroristen mit Hilfsgeldern unterstützt zu haben. Für viele Singhalesen wurden nun die Nichtregierungsorganisationen zu neuen Feindbildern. Auch Little Smile musste lernen mit Anfeindungen, Neid und Verleumdungen zu leben. Erpressungsversuche eines lokalen Ministers und der Verrat leitender Mitarbeiter von Little Smile, die versuchten Michael Kreitmeir loszuwerden, um das „Erbe von Little Smile“ unter sich aufzuteilen brachten den Gründer der Hilfsorganisation im August 2010 zwar ins Gefängnis. Der Aufschrei, besonders aus Deutschland war jedoch so groß, dass man Kreitmeir bald wieder freiließ. Diese schwere Zeit hat das verbliebene Team um Michael Kreitmeir letztlich noch mehr zusammengeschweißt und die Idee von Little Smile und ihre Umsetzung sogar noch gestärkt.
Es ist nicht leichter geworden nach Tsunami und Ende des Bürgerkrieges, nur anders.

9. Was wollen Sie auf der Tropen-Insel noch erreichen?

Die größte Herausforderung, der ich mich in den kommenden Jahren stellen werde ist, Menschen zu finden, die die Arbeit im Sinne von Little Smile und in dem Auftrag, den uns alle Freund, Helfer und Unterstützer gegeben haben, fortsetzen. Teilweise ist dies bereits gelungen. So ist die Leiterin im Ausbildungskrankenhaus in Buttala Saradha, also ein ehemaliger Schützling des Kinderdorfes Mahagedara. Alle Betreuerinnen dort sind auch ehemalige Kinder und meine rechte Hand Shiran Silva hat gerade auch in den schweren Zeiten gezeigt, dass er zu mir und Little Smile steht. Annkathrin Blank engagiert sich in herausragender Weise im Bereich der Kinderfürsorge und es gibt einige der jetzigen Kinder, die mir Hoffnung machen, dass das Lächeln hier in Sri Lanka weitergetragen wird.
Es ist noch ein langer und sicher nicht einfacher Weg aber wir haben die Reise in die Zeit nach mir bereits begonnen.

10. Sie sind jetzt seit mehr als 15 Jahren auf Sri Lanka. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Es war und ist schwer, sehr schwer. Ich wurde sehr oft enttäuscht, belogen und betrogen. Immer wieder aufzustehen, immer wieder Ja zu sagen, sich selbst zu motivieren und ganz besonders immer wieder Vertrauen zu schenken ist ganz und gar nicht einfach. Seit 2007 darf ich offiziell nicht mehr für Menschen in Not arbeiten, all mein Engagement war und ist ehrenamtlich, ich werde als Investor geduldet nicht aber als Jemand der Menschlichkeit lebt. Alles, was mein Leben vor dem Tsunami ausgemacht hat, Familie, Beruf, Freunde musste ich zurücklassen in einer Heimat, die mir bei den wenigen Besuchen dort immer fremder wird.
Und trotzdem, ich bereue mein Ja zu diesem großartigen Abenteuer Menschlichkeit nicht, ich danke allen Freunden und Unterstützern für ihre Begleitung, die Mut macht und Kraft gibt weiter das Richtige und Wichtige zu tun.
Seit Sri Lanka entwickelt wird, vornehmlich mit Geldern aus China, bleiben mehr und mehr Menschen auf der Strecke. Und wieder sind es zu aller erst die Schwachen, also gerade auch verlassene Frauen mit Kindern, die leiden. Es gibt also auch ohne Bürgerkrieg und Tsunami noch so viel zu tun.