Eichstätt, den 1. Mai 2002
Liebe Mitglieder der Little Smile Familie
104 Tage war ich in Sri Lanka, davon fast die ganze Zeit im Kinderdorf Little Smile. In dieser Zeit hatten wir viel Besuch. Philipp Schreistetter war da und hat mit unserem Schreiner Janasiri die Maschinen der Schreinerei in Betrieb genommen. Maria und Peter Bonas haben ihren Urlaub bei und mit den Kindern in Little Smile verbracht, meine Familie ist gekommen und sogar meine Eltern ließen sich weder durch ihre angeschlagene Gesundheit noch durch ihr Alter abschrecken und haben Ostern mit uns gefeiert. Kid, eine junge Frau aus England, hat 4 Wochen in den Kinderhäusern gelebt und gearbeitet, Brigitte Lichtner, eine Architektin aus Düsseldorf hat ihr Wissen und sehr viel Menschlichkeit eingebracht und Evi, eine Kinderkrankenschwester aus Wasserburg, hat ihren dreimonatigen Einsatz begonnen. Aber selbst diejenigen, die nur wenige Tage bei und mit uns diese andere Welt erlebt haben, wie Heidi Pickl mit ihren Kindern aus Füssen oder Christel Hebing aus der Schweiz, haben gespürt: Hier ist ein ganz besonderer Ort entstanden, der sich mit Worten nur unzureichend beschreiben lässt. Allen Schwierigkeiten zum Trotz: In Little Smile ist die Menschlichkeit zu Hause. Dieses Dorf, das da völlig unverhofft aus dem Bergdschungel auftaucht, gehört den Kindern, hier dürfen sie Kinder sein und lernen wieder zu lächeln.
Liebe Freunde, es ist nicht leicht, einen Traum zu verwirklichen. Auch in Sri Lanka gibt es viele Menschen, die nur ihren Vorteil suchen, die glauben, diese Kinder aus ärmsten Verhältnissen, meist ohne Eltern, wären es nicht wert, dass man ihnen hilft. Immer und immer wieder gilt es, solche Begehrlichkeiten abzuwehren, nie darf man aufhören, gerade auch den Angestellten, den richtigen Weg zu zeigen mit Geduld aber auch mit Strenge.
Es ist unmöglich, auch nur einen kleinen Teil von dem aufzuschreiben, was sich in dieser Zeit hier ereignet hat. Jeder Tag, vom frühen Morgen bis spät in die Nacht, war voller Ereignisse, Begegnungen, Gespräche und immer mussten Entscheidungen getroffen werden. Es gab Momente, da dachte ich, dass mir die Luft ausgeht, aber gerade dann waren es die Kinder, die mir die Kraft zurückgegeben haben. Und es war auch das Wissen nicht alleine für diesen Ort der Liebe und Menschlichkeit zu kämpfen. Es war ihre Hilfe, sicher auch ihr Gebet, das mich auch in schwierigen Stunden nie verzagen lies.
Wir haben nicht wenig geschafft in dieser Zeit. Nach langem Kampf mit Behörden hat die Sozialistische Republik Sri Lanka die Little Smile Association endlich als gemeinnützigen Verein anerkannt. Die Urkunde bekamen wir am Valentinstag 2002, dem 14. Februar zugeschickt.
Mit Arawinde, Anura und Ranjith haben wir drei neue Jungs, mit Sarda, Piyumi, Thilini, Anita, Bawaani, Champika und Madushika 7 Mädchen neu in unsere Familie aufgenommen. Hinter jedem dieser Namen steht ein junges Leben, das beinahe zerstört worden wäre. Nur ein Beispiel: Piyumi. Als das 12jährige Mädchen zu uns gebracht wurde, war es völlig verstört und hatte große Angst vor jedem Geräusch, jeder Bewegung, lauten Worten, besonders aber vor Männern. Das Kind war schon mit 5 Jahren von der Mutter zu Verwandten gegeben worden, bevor sie als Haushaltshilfe in den mittleren Osten ging. Piyumi musste wie eine Haussklavin arbeiten, bekam nur Abfälle zu essen, schlief vor der Hütte und konnte nicht zur Schule gehen. Richtig schlimm wurde es, als die Männer der Familie begannen, sich für das Mädchen zu interessieren. Schutz- und rechtlos war es den Nachstellungen ausgeliefert bis sich eine Tante erbarmte und Piyumi heimlich nach Little Smile brachte.
Um all diesen Kindern aber nicht nur den selbstverständlichen Schutz und alle Rechte ein Kind zu sein zu bieten, sondern die Chance auch später ein menschenwürdiges Leben führen zu können, mussten auch unsere Bauarbeiten weitergehen. Die Schreinerei konnte auch Dank der Hilfe aus Füssen und des Engagements von Philipp Schreistetter schon Anfang Januar ihren Betrieb aufnehmen. Der Bau der Nähschule, die durch die Stiftung Michael Wildscheck möglich wurde, geht rasch voran. Noch in diesem Jahr werden unsere Mädchen dort mit dem Unterricht beginnen können.
Ein wichtiger Schritt für Little Smile: Anfang März hat Lucian den Bereich Erziehung in Little Smile übernommen. Vorher hat der 26jährige bereits ein Heim für behinderte Kinder in Negombo geleitet. Seine Einstellung, sein Engagement, besonders aber seine Liebe zu den Kindern haben mich wirklich überzeugt. Aufmerksam wurde ich auf Lucian durch den christlichen Verein "brothers of charity". Bruder Gregory, der schottische Leiter dieses in Sri Lanka in der Behindertenarbeit sehr aktiven Vereins, wurde zu einem väterlichen Freund. Er hat das Kinderdorf bereits dreimal besucht und wird auch in meiner Abwesenheit immer wieder vorbeischauen und mit Rat und Tat Hilfe leisten.
Besonders gefreut habe ich mich, dass mit Wolfgang Spohn Haniel ein Vertreter der Missionszentrale der Franziskaner aus Bonn zu uns gekommen ist. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser und so konnte sich Herr Spohn Haniel selbst von der Arbeit überzeugen, die in den Bergen Sri Lankas für Kinder in Not geleistet wird.
Ein vorübergehender Waffenstillstand machte es möglich, dass ich mit einigen der Kindern aus dem Kriegsgebiet im Februar ihre ehemalige Heimat besucht habe und das, was von ihren Dörfern, Häusern und Familien übriggeblieben ist. Gerne schicken wir Ihnen diesen Bericht unter dem Titel "eine Reise in Not und Elend" zu. Im April war ich auch mit den Kindern aus den Trockengebieten rund um Tissamaharama in ihrer einstigen Heimat unterwegs, um Ihnen klarzumachen, welche Chance sie durch Little Smile haben und dass sie diese Chancen durch Fleiß nützen müssen.
Liebe Freunde, es gab keinen Tag dort, der wie geplant verlaufen ist. Immer neue Herausforderungen, Probleme und Schwierigkeiten aber auch viele unvergessliche Momente der Freude und des Glücks. Den Karfreitagbesuch unten bei unserem Kreuz neben den beiden Tempeln, zusammen mit meinen Eltern und einigen Kindern werde ich nie vergessen.
Mit dem tamilischen Journalisten Racharatne ist einer der wenigen Wegbegleiter aus Koslanda überraschend gestorben. Auch Herr Wishesingha, der uns in den Trockengebieten immer geholfen hat, wurde Opfer eines tragischen Unfalls. Wir haben Beiden die letzte Ehre erwiesen und Little Smile Rosen aufs Grab gelegt, sie werden uns fehlen.