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5 Jahre nach der Katastrophe

Little Smile und der Tsunami – (K)ein Abschlussbericht!
Heute am 1. Dezember 2009 sind genau 1800 Tage vergangen, seit ein Seebeben die gewaltigste Welle ausgelöst hat, an die sich die Menschheit erinnern kann. Was dann über einige Küsten in Indonesien, Thailand und Indien und ganz besonders Sri Lanka hereinbrach musste an die biblische Sinnflut erinnern.

Dramatische Bilder aus dem Ferienparadies schockierten am 2. Weihnachtstag 2004 und so viele Menschen wie nie zuvor beschlossen, zu helfen. 
Wer fragt in einem solchen Moment schon lange danach, ob so ein kleines Land wie Sri Lanka mit einer nicht gerade gut funktionierenden Verwaltung einem solchen Ansturm von Hilfsorganisationen und privaten Helfern überhaupt gewachsen sein kann? 
Woher sollten plötzlich all die Fachleute für so ein gewaltiges Wiederaufbauprojekt herkommen? 

Wer sollte all das, was nun mehr als 4000 Organisationen und zahllose private Helfer anfingen, koordinieren und kontrollieren?

Erschwerend dazu kam, dass das Land zweigeteilt war, hier eine zentralistische Regierung mit einem unüberschaubaren Heer von Ministern und im Norden und Osten die damals noch mächtige Rebellengruppe LTTE.

Kurz, es wurden in den allermeisten Fällen fast alle Erkenntnisse moderner Entwicklungshilfe ignoriert. Es ging darum, möglichst schnell und medienwirksam Erfolge vorweisen zu können. Was aber ist unter solchen Umständen Erfolg? Die glanzvolle Eröffnung von Krankenhäusern und Schulen, wo schon heute im Land Ärzte und besonders Lehrer fehlen? Oder Trainingszentren, die nach der Eröffnung jahrelang leer stehen sollten, weil es weder geeignetes Lehrpersonal noch interessierte Schüler gab? Dass es 2 Jahre nach dem Tsunami fast doppelt so viele Fischerboote gab als vorher, dabei aber keinerlei Strategien, wie der Fisch auch vermarktet werden könne, dass durch den Bauboom an der Küste die Preise für Material davon galoppierten, dass Korruption, Veruntreuung und Betrug sich plötzlich in der Sozialarbeit breitmachten und alle Hilfsorganisationen in Diskredit brachten? Hätte man deshalb die Augen zumachen sollen oder einfach woanders hin schauen?

Auch wir standen vor der Frage, was können wir in all dem Durcheinander als kleine Hilfsorganisation ausrichten? Ist es nicht besser, sich auf das Kinderdorf in Koslanda zu konzentrieren? Aber so etwas sind theoretische Überlegungen wenn sie vor Ort leben und arbeiten, wenn sie die Not vor Ort miterleben und gleichzeitig sehen, wie viel falsch läuft. Immer habe ich meinen Leuten gepredigt: Wir sind für das was die treiben nicht verantwortlich, lass es uns anders machen, ehrlich, mit ganzer Kraft und so, dass das, was wir heute tun auch morgen noch wirken kann.

Und genau das haben wir getan, ganz gleichgültig, wie schwierig die Bedingungen auch wurden. Und es wurde sehr, sehr schwer. Wie sollte ich die wenigen aber wichtigen Führungskräfte halten, wo die Angebote bekamen, mit dem bis zu 10fachen Gehalt? Es gab weder Architekten noch Bauingenieure, alles war bereits zu verrückten Preisen ausgebucht. Geld schien kaum noch eine Rolle zu spielen.

Die ganze Welt wollte plötzlich Tsunamiwaisenkinder, die waren allerdings bereits von Verwandten kassiert, häufig um zu kassieren. ABKASSIEREN, so lange dieses Wort Tsunami noch fast so was ist wie ein bereits unterschriebenes Scheckbuch. Was wirklich traurig war: Betreiber von kleinen Gästehäusern, Fremdenführer und Strandverkäufer, alle waren sie jetzt Opfer und Helfer, am besten gleich beides. Aussteiger, die vorher nur das Schwarze unter den Fingernägeln besaßen, fuhren mit Landrover zu ihren Sozialprojekten. Wer sich im ersten Jahr nach der Katastrophe mit dem beschäftigte, was viele Andere taten, der wurde verrückt. Wir hatten dazu allerdings weder Zeit noch Lust. In Kalmunai, der größten moslemischen Stadt an der Ostküste war einer unserer Schwerpunkte, ganz einfach, weil wir dort Leute kannten, denen wir vertrauen konnten. Das galt auch für Galle an der Südküste. Neben der Soforthilfe, bei der mein Manager und auch ich die Lastwagen selbst an die Ostküste fuhren, haben auch wir einige rein tsunamibezogene Hilfe geleistet, weil es die Spender unbedingt so wollten. Freilich haben wir nicht wahllos Häuser wiederaufgebaut, möglichst viele möglichst schnell sondern wir wollten immer so bauen, dass das Haus auch noch in 10, ja 20 Jahren steht. In erster Linie sollte unsere Hilfe auch Witwen mit Kindern zugutekommen. Die Fischer, die von uns ein Boot bekamen, mussten 5 Jahre lang, also bis heute, monatlich Tsunamiwitwen unterstützen.

Wir halfen dem Abschlussjahrgang 2005 bei der Vorbereitung zu den Prüfungen und organisierten diese. Nach langem hin und her mit dem Gesundheitsminister Sri Lankas bauten wir ein dreistöckiges medizinisches Versorgungsgebäude für das Ashraff Memorial Hospital an der Ostküste, wir unterhielten Beratungs- und Betreuungszentren in Kalmunai und Galle und vieles mehr. Die Tage waren nicht lange genug für all die Aufgaben und so kam immer der Schlaf zu kurz.
Doch am Wichtigsten waren und sind uns die Projekte, die über das hier und heute hinausgehen.

Gott sei Dank konnten wir viele Spender überzeugen, dass die Hilfsgelder auch da eingesetzt werden konnten, wo es nicht nur um Tsunamihilfe ging, Projekte, für die Little Smile oft auch nach der Eröffnung verantwortlich ist. Das Weiterbildungszentrum für Lehrer und Führungskräfte konnte so weit weg von der Tsunamiküste im Kinderdorf in Koslanda gebaut werden. In Buttala, der ärmsten Provinz des Landes eröffneten wir Anfang 2009 ein Zentrum für Naturmedizin Little Smile „Aloka“ (Aloka bedeutet Licht) mit Krankenhaus und Schule. In Galle entstand das Betreuungs- und Bildungszentrum „Sahana Nivasa“ (Haus der Geborgenheit), nahe Batticaloa, einem einstigen Zentrum des Bürgerkrieges, übernahmen wir Verantwortung für mehr als 100 Mädchen in drei Häusern.
Vieles von dem, was mich, was uns hier die letzten 1800 Tage und oft auch Nächte beschäftigte finden Sie in unseren Projektbeschreibungen. Ich versichere Ihnen, es wurde Unglaubliches geleistet und schwierigsten Bedingungen, wir haben nach wie vor jeden Euro umgedreht. Manchmal hat es dadurch ein wenig länger gedauert und das Friedens- und Kulturzentrum in Pilane bei Galle ist immer noch nicht fertig. Ich kann aber nur für Qualität und den sorgsamen Umgang mit den Geldern garantieren, wenn ich auch vor Ort sein kann und das geht nun mal beim besten Willen nicht an zu vielen Orten gleichzeitig. Für einige Großspender waren wir nicht schnell genug, sie haben uns deshalb den Rücken gekehrt. Aber wenn ich so durch das Land fahre und sehe, wie viele der glorreich eröffneten Projekte heute bereits verfallen, dann weiß ich, dass ich richtig gehandelt habe. Nichts von dem, was wir begonnen haben, wurde in den Sand gesetzt!

Eigentlich sollte das ja ein Abschlussbericht werden aber abgeschlossen sind viele der Projekte nun wirklich nicht, denn sie sollen, nein sie müssen weitergehen weil sie Teil von dem geworden sind, was Little Smile Tag für Tag in Sri Lanka versucht. Und so werden die nachhaltigen Projekte, für die wir verantwortlich bleiben, nun Teil sein unserer Arbeit.

Ich habe wenige Tage nach dem Tsunami versprochen: „Wir waren schon lange vor der Flutwelle da und wir werden noch hier sein, wenn der Tross der Katastrophenhelfer und die Kameras längst weiter gezogen sind“.

Heute kann ich sagen: Wir habe nicht nur unser Versprechen gehalten. Durch ihre Hilfe und unseren Einsatz vor Ort ist etwas in Sri Lanka entstanden, was noch lange weiter wirken kann.