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Gedanken nach der Rückkehr von der Rückkehr

Sie sind wieder da, die Horden von Affen, vielleicht noch frecher, aggressiver, die zahllosen Pfauen, die so gerne unsere Fenster mit ihrem Spiegelbild attackieren. Ich werde wieder geweckt von Böllern gegen wilde Elefanten und dem Heulen der Hunde, die schwüle Hitze setzt mir zu, Legionen von Ameisen bestrafen jede Unachtsamkeit mit Lebensmitteln. Ja und dann sind da auch wieder all die Kinder mit ihren Sorgen und Problemen.
Genaugenommen war all das ja nie weg, nur ich hatte eine Pause, die erste seit fast 5 Jahren, war fast 4 Wochen zu Besuch in einer Welt, in der es weder Affen noch halbwilde Hunde gibt, wo man keine Schutzzäune vor Elefanten braucht und eine Zuckerdose auch mal auf dem Tisch stehen lassen kann, ohne dass nach wenigen Minuten der Zucker unter Ameisen verschwindet.

Anka hat die Stellung hier gehalten während ich eingetaucht bin in ein längst vergangenes Leben, vertraut irgendwie und doch weit weg. Meine Sorge, ich könnte mich dort fremd fühlen, alleine, außerhalb der großen Little Smile Familie, besonders jetzt, wo in meiner einstigen Heimatstadt nur noch ein Grabstein an meine Eltern erinnert, das Haus meiner Kindheit verkauft ist, diese Sorge war unbegründet, im Gegenteil. Von einem Freund seit Schultagen, der mich die ersten Tage aufnahm, während ich Mitglieder des Unterstützervereins traf, bis hin zu einem Besuch bei Unterstützern unserer Arbeit in Dietfurt im Altmühltal. Ich fühlte mich willkommen, erwartet sogar, man lauschte interessiert meinen Berichten. In dieser ersten Phase war Sri Lanka allgegenwärtig und vielleicht war das gut so, ermöglichte mir einen weichen Übergang. Und fast nebenbei absolvierte ich auch noch meinen ersten Gesundheitscheck seit 15 Jahren.

Meine Geburtsstadt Eichstätt, fast zu viel Idylle um wahr zu sein und heile Welt, selbst auf den zweiten Blick. Kam an einem Mittwoch an, Markttag und sah Obst, von dem ich im Bergurwald nur träumen kann.

Irgendwann haben Geli und mein Schulfreund Reini nach meinem Lieblingsessen gefragt und genau damit wurde ich an meinem ersten Abend in Deutschland willkommen geheißen.

Ganz am Anfang meiner Reise stand die Begegnung mit den Mitgliedern des Little Smile e.V. Zeichen auch für die Verbundenheit mit denen, die sich n der alten Heimat für uns in Sri Lanka einsetzen.

Die 5 Tage mit meinen Söhnen Manuel und Marco sowie meiner Tochter Sumalee boten Chance des Wiederentdeckens, des Erlebens von Entwicklungen, Veränderungen, denn auch ihr Leben ging weiter, unabhängig davon, was im Bergurwald von Sri Lanka geschieht. Es war eine gute Zeit in Südfrankreich, weit weg von ihrem und meinem Alltag haben wir Gemeinsames gefunden, wurde mir deutlich, dass sie gutheißen, was ihr Vater tut.

Vater sein und bleiben über Raum und Zeit hinweg und obwohl man den Großteil seiner Energie für Kinder in Not weit, weit weg einsetzt. Endlich einmal Zeit für einander haben, weit weg vom Alltag sich neu kennenlernen dürfen.

Das Wetter war im Mai 2023 in Deutschland überwiegend schlecht, das war aber nicht wichtig, das Wesentliche war die Begegnung mit Menschen, etwa mit einer Uraltfreundin im bayerischen Oberland und dem Teil meiner Geschwister, der sich für mich und mein Leben interessiert. Bergwanderungen mit meiner Schwester Daniela, Gespräche mit meinem Bruder Hermann und die Fahrt mit meinem Mönchsbruder Christoph nach Berlin, all das waren Geschenke, tröstlich, weil ich spürte, dass ich sie nicht verloren habe.

Die räumliche Entfernung hat in der Beziehung zu meiner Schwester Daniela nie eine Rolle gespielt, wir hielten den Kontakt, tauschten uns aus, blieben einander vertraut. Und so war das gemeinsame Bergwandern fast so als seien wir erst gestern zusammen unterwegs gewesen.

Mit meinem Bruder Christoph warten auf den Zug, der mich von Berlin über Hamburg nach Osnabrück bringen sollte. Lange ist es her, dass ich in einem deutschen Zug saß, in jedem Fall mindestens ein halbes Jahrhundert und fast genauso lange, dass ich mit meinem Mönchsbruder etwas gemeinsam erleben durfte.

Ich habe aber auch Menschen neu entdeckt, etwa einen Unternehmer, der mich zu seinem runden Geburtstagsfest einlud, nachdem er uns einige Monate zuvor im Bergurwald von Sri Lanka besucht hatte, oder eine ältere Dame in einer bayerischen Kleinstadt, gegen eine Krebserkrankung kämpfend, Hoffnung aus meinen Berichten aus dem Kinderdorf schöpfend.

 

 

Versprechen einhalten, selbst wenn ein Besuch wie hier einen Umweg bedeutet. Ich war mir immer bewusst, wie einmalig jede Begegnung ist, gerade wenn ein Wiedersehen völlig offen ist. Jeden Augenblick leben, ohne Wenn und Aber.

Ein Kurzbesuch an meiner einstigen Arbeitsstätte, dem Bayerischen Rundfunk in Freimann gab mir letzte Gewissheit, dass es richtig war vor mehr als 20 Jahren die Karriere dort gegen das Leben mit und für Kinder in Not getauscht zu haben.
Natürlich habe ich Little Smile überall hin mitgenommen, ganz einfach weil es längst ein Teil von mir ist. Ob die Begegnung mit Betreuern und Jugendlichen in einem deutschen Kinderdorf, bei einem Benefizkonzert einer Schule, bei Vorträgen, ja sogar beim Haareschneiden bei einem sehr interessierten Friseur, genau genommen bei jeder Begegnung war auch Little Smile dabei.
Little Smile war immer und überall mit dabei ganz einfach weil es Teil von mir ist. Wenn sich die Gelegenheit bot erzählte ich von meinem Abenteuer Menschlichkeit, ob bei der Begegnung mit Einzelpersonen, bei einem Konzert oder hier dem Geburtstagsfest eines Freundes in Berlin.
Auch unsere Gewürze kamen immer wieder ins Spiel, nicht nur weil der mitgenommene fermentierte Pfeffer ausnahmslos begeisterte. Unser Hauptkunde, die Firma AVO hatte mich nach Münster eingeladen, bei diesem Besuch wurde ich wie ein Freund behandelt, wurde mir weitere Unterstützung zugesagt.
Wie Pfefferpflanzen aus dem Kinderdorf in ein Versuchsfeld der Uni in Münster kommen, das ist eine lange Geschichte und in ihr spiel auch Guido Massmann (Mitte) eine wichtige Rolle, genau wie den Export unserer Gewürze nach Deutschland und das seit nun 15 Jahren.

Ganz besonders dankbar bin ich für die abschließenden Tage am Bodensee. Der Sohn meines Patenonkels war im Januar gestorben, er war der Held meiner Kindheit gewesen, Vizeweltmeister im Windsurfen, ein Sonnyboy, bodenständig und Liebling der Götter.Heroisch hatte er gegen seine Krebserkrankung gekämpft und wenn Jemand dem Wunsch „im Stehen zu sterben“ nahekam, dann er. Seine Schwester Rita, seine Frau Lilo, sein Sohn Ben, sie gaben mir nicht nur das Gefühl willkommen zu sein, sondern schenkten mir eine neue, geografische Heimat.

In Lindau begegnete ich nicht nur auf diesem Floß im Hafen den Spuren von Hermann, dem Sohn meines Patenonkels. So viel wollten wir noch gemeinsam machen, im Januar ist er gestorben. Nichts aufschieben, weil immer später eines Tages garantiert zu spät ist.

Bisher waren sie nur Verwandte, die ich vor sehr langer Zeit immer mal wieder besucht habe. Das Überraschendste aber auf meiner Reise war, wie selbstverständlich, wie herzlich ich dort aufgenommen wurde. Irgendwie war es fast so, als hätte ich eine neue Familie in Lindau am Bodensee geschenkt bekommen.

So kehrte ich reich beschenkt Ende Mai zurück, dahin, wo meine Seele wohnt. Es war die Rückkehr von der Rückkehr in meine alte Heimat. Die Kinder bereiteten mir ein herzliches Willkommen, Anka hatte viel organisiert, ein Abendfüllendes Programm der Kinder, mehr aber noch jedes einzelne Lächeln ließen mich Heimkommen.

Es war schön, mehr noch bereichernd und voller Herzlichkeit in meiner alten Heimat aber die Begrüßung im Kinderdorf ließ keine Zweifel aufkommen, wo ich im Jahr 2023 daheim bin.
Es dauert freilich doch wieder einige Zeit, bis man sich an die Begleitmusik gewöhnt, das Schreien der Wildtiere, die Hundekämpfe in der Nacht. Selbst die Kleidung ist auf den Trockenständern nicht sicher vor Affen und Hunden. Auch Reis mit scharfen Gewürzen schon am Morgen, die nahezu unerträgliche Hitze mittags, die kurzen Tage und langen Nächte, das sind Veränderungen, klar, aber weit wesentlicher sind dann doch die Sorgen der Kinder, die Not der Menschen um uns herum, die Verantwortung für so Viele und so Vieles, von der mir nur die Anka einen Teil abnimmt. Ich konnte meine Akkus aufladen, dank der Begegnung mit Menschen in meiner alten Heimat, Menschen, die mich haben fühlen lassen: Auch wenn du nicht da bist, bist du nie ganz weg, immer willkommen. Mit dieser Gewissheit ist sie leichtgefallen, die Rückkehr in ein Leben, das mir wirklich Alles abverlangt aber auch so Vieles gibt.

Obwohl diese Reise in meine Vergangenheit genau geplant war, es gab doch Überraschungen, etwa dass eines abends plötzlich Biggi auftauchte, eine Volontärin im Kinderdorf während der Tsunamikatastrophe Ende 2004. Wir haben uns sofort erkannt obwohl seit unserer letzten Begegnung sage und schreibe 18 Jahre vergangen sind.

Manche Freunde hat man fürs Leben, da ändert sich nichts, weil man sich selten sieht. Bei Begegnungen wie dieser wird fast körperlich spürbar, dass Freundschaft ein Geschenk ist, ein sehr kostbares.
PS. Ich kann hier nicht alle Begegnungen aufzählen, die ich während meines Deutschlandbesuches haben durfte, an die Damen im Einwohnermeldeamt in Eichstätt erinnere ich mich jedoch mit einem Lächeln, ganz einfach weil die so nett waren, von wegen unnahbare Behörden!