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Eichstätt, den 14. März 2001


Ayobowan aus Bayern!

Seit einigen Tagen bin ich zurück in Deutschland. Nach fast vier Monaten leben für und meist auch mit den Kindern in Little Smile Koslanda werden Sie sicher verstehen, dass meine Seele noch dort oben in den Bergen Sri Lankas geblieben ist.

Liebe jedoch bedeutet oft auch Verzicht und so muss ich mich, so schwer es mir derzeit auch fällt, hier in Deutschland für die Vision von einem Ort der Menschlichkeit einsetzen. Und hier gibt es auch viel zu tun. So war ich bereits am gestrigen Montag, dem 13. März, in Berlin und habe dort die Präsidentin Sri Lankas, Frau Chandrika Bandaranaike Kumaratunga getroffen. Sie hält sich derzeit zu einem Staatsbesuch in Deutschland auf und als ich die Chance erhielt, im Rahmen einer Wirtschaftsdelegation an einem "Round-Table-Gespräch“ teilzunehmen, musste ich diese Möglichkeit nützen. Konnte das Gespräch auch auf die Probleme sozialorientierter Organisationen im Allgemeinen und Little Smile Koslanda im Besonderen lenken und eine Informationsmappe überreichen. Hoffe, dass uns dies vor Ort in Zukunft bei der Lösung mancher Probleme mit der Bürokratie helfen wird.

Heute habe ich ein wenig Zeit, bevor ich mich ab dem morgigen Donnerstag wieder ins "Filmgeschäft" stürzen werde, um Geld zu verdienen, gerade auch für das Projekt und die Kinder in Sri Lanka. Und diese Zeit möchte ich nützen, um Ihnen ein wenig von dem mitzuteilen, was mich die letzten vier Monate bewegt und in Bewegung gehalten hat:

Wenn ich so zurückdenke, fällt es mir nicht leicht einen Anfang zu finden, soviel ist dort passiert. Jeder Tag hielt Überraschungen und Herausforderungen bereit. Trotzdem kann ich mehrere Phasen erkennen.

Der November 2000 stand ganz im Zeichen der Bauarbeiten.
In einem Wettlauf mit dem von Astrologen bestimmten Eröffnungstermin mussten wir das Unmögliche schaffen, nämlich die Schule und das neue Kinderhaus bis zum 7. Dezember fertig stellen. Wir haben es geschafft: Etwa 10 Minuten bevor um 7:28 Uhr am Morgen die Mönche einzogen, konnten wir Hammer und Säge aus der Hand legen.

Die Feier selbst wurde ausschließlich von unseren Kindern gestaltet. Neben einigen Mönchen hatten wir nur Menschen eingeladen, die für Little Smile arbeiten oder dort leben. Besonders schön für mich war, dass auch mein Sohn Marco und meine Frau aus Deutschland kamen, um diesen wichtigen Moment mit uns zusammen zu erleben.

Die darauffolgende Zeit bis Weihnachten 2000 galt es viele Probleme mit den Behörden zu lösen, Unstimmigkeiten im Personal zu beseitigen und mit der Vermarktung der Rosen zu beginnen. Zu unseren zuverlässigsten Abnehmern gehört ja das Hotel Lanka Princess in Beruwela. Der deutsche Manager Herr Kuckenburg und seine Frau unterstützen Little Smile in ganz besonderer Weise. So wird im Hauskanal dieses Luxushotels an der Küste jeden Samstag unser Video "Hand in Hand" gezeigt, 2 x jede Woche liefern wir dorthin 100 "Waisenhausrosen" und demnächst werden auch Erdnüsse und Heilkräuter dort "made in Little Smile" sein.
Weihnachten dann war ein sehr schönes Fest. An diesem Tag waren die tamilischen Tagesarbeiter mit ihren Familien unsere Gäste. Diesen Männer, die sehr hart bei uns arbeiten und zwar für 200 bis 250 RS, also zwischen 5 und 7 Mark täglich, wollte ich dadurch den tieferen Sinn unseres Weihnachtsfestes deutlich machen. Dazu gehörte auch die Bescherung der Arbeiterkinder. Sie bekamen die letzten der Kuscheltiere, die einst von Kindern in Füssen gesammelt und nach Sri Lanka geschickt worden waren.

Kaum waren am 2. Januar 2001 meine Frau und mein Sohn Marco zurück nach Deutschland geflogen, begann für mich in Little Smile eine schwierige Zeit. Bereits am 28. Dezember hatte ein rätselhafter Virus mit hohem Fieber und Erbrechen meinen Leiter Herrn Bandula erwischt und gleich nach meiner Rückkehr vom Flughafen am Morgen des 3.01. ging es so richtig los. Zeitweise waren 20 Kinder und fast alle Betreuerinnen krank, sehr krank. Das Gefährliche an diesem Virus war, dass er gerade die kleineren Kinder so schwächte, dass große Gefahr bestand, dass sie an ihrem Erbrochenem ersticken. Es musste also Tag und Nacht jemand auf die Erkrankten aufpassen und das war fast unmöglich, waren doch zeitweise fast alle Angestellten ebenfalls krank.

Das Unmögliche, immer wieder müssen wir es dort doch möglich machen! So auch bei dieser "Heimsuchung". Nur Chitra, unsere tamilische Kinderfrau, die beiden Küchenfrauen Indrani und Dibi sowie ich blieben letztlich von diesem Fieber verschont und irgendwie haben wir es geschafft.

Hier ein kurzer Ausschnitt aus einem meiner Briefe vom Februar 2001:
Gottlob scheint die wirklich schlimme Zeit einer Virusepidemie überstanden. Zeitweise waren bis zu neun Kinder, zwei Erzieherinnen und mein Leiter Herr Bandula krank. Letzteren freilich hat es so schlimm erwischt, dass er immer noch im Krankenhaus ist. Ich musste also seit dem 2. Januar alle Entscheidungen alleine treffen, keine leichte Aufgabe, zumal mein Singhalesisch zu wünschen übrig lässt. Umgekehrt sind Erzieherinnen und Kinder mit ihrem Englisch auch noch in der Anfangsphase. Besonders ein Mädchen, Chaturi hatte es ganz schlimm erwischt.

Zeitweise hatte ich große Angst sie könnte sterben. Ständig musste jemand an ihrem Bett im Krankenhaus von Badulla wachen. 11 Tage ging das so.

Jetzt ist aber auch Badulla nicht gerade um die nächste Ecke und so musste ich jeden Tag mit dem Motorrad einen 2000 Meter hohen Pass überqueren und 2 bis 3 Stunden fahren (einfacher Weg), um Ablösung für die Krankenwache zu bringen und nach Chaturi zu schauen.

Nicht selten hat uns auf diesem Weg Sturm und Regen gebeutelt und doch hieß es bei jedem Wetter und auch in der Dunkelheit für mich wieder zurück fahren, denn daheim hatte ich ein ganzes Lazarett. Zudem war ich zeitweise der einzige gesunde Mann hier und eine Nacht ohne "Beschützer" hätte für große Angst und Aufregung bei Kindern und Frauen gesorgt. Ich hatte dabei immer die Sorge,selbst krank zu werden, aber ich war gegen den Virus scheinbar immun. Der Januar fand also in erster Linie im Schatten dieses Angreifers statt, der uns hohes Fieber, ständiges Erbrechen mit Kopf- und Gliederschmerzen bescherte. Die wenigen Gesunden aber haben wirklich Großartiges geleistet. Besonders Chitra war ein Fels in der Brandung. Nichts war ihr zu viel, oft war sie zwei Tage und Nächte im Krankenhaus und kaum zurück, hat sie sofort wieder angepackt. Eine tolle junge Frau. Auch unsere Küchenfrauen Indrani und Dibi sind in den schwersten Zeiten am Abend gar nicht mehr heimgegangen und besonders Indrani war eine ganz wichtige Stütze. Und so hat uns diese schwere Zeit sehr verbunden und mir ganz deutlich gemacht, auf wen ich mich hier absolut verlassen kann. Es gibt eben nichts Schlechtes, in dem nicht auch Sinnvolles und Gutes verborgen ist.

Verständlich, dass die Bauarbeiten und Pflanzungen da in den Hintergrund getreten sind, völlig zum Erliegen kamen sie trotzdem nie. Die Fundamente für die Schreinerei und zwei Häuser für Angestellte sind fertig und sobald das Wetter wieder besser wird, können wir mit den Bauarbeiten beginnen. Auch hier ist also mit den Planierungen und den Fundamenten, die nicht selten mehrere Meter im Boden verankert werden müssen, die größte Hürde bereits genommen. Nicht leicht dagegen die Vermarktung der Rosen.
Die Rosenplantagen geben ja bereits jeden Tag etwa 150 Blumen her, nur gut verkaufen kann ich die nur in Colombo oder an der touristischen Südküste. Der Transport mit dem Zug erwies sich als sehr unzuverlässig. Verspätungen hier regen die Menschen zwar nicht auf, Blumen freilich sind da schnell beleidigt und lassen die Köpfe hängen. Zudem müssen wir sie ja auch noch mit dem Motorrad zum nächsten Bahnhof nach Haputale bringen. Bei rasanter Fahrweise etwa 1 Stunde und 1200 Meter Höhenunterschied. Dabei schien zuerst alles so einfach. Hatte 1000 Versprechungen, dass der Absatz gesichert ist und der Transport keine Schwierigkeiten machen würde. Aber wir sind hier ja in Asien und wenn du als Antwort bekommst "no problem", dann kannst du sicher sein, dass die Probleme kommen werden. Inzwischen habe ich auch da eine Lösung gefunden. Ein junger Mann macht sich jetzt 3 mal die Woche mit verschiedenen Bussen auf den Weg, ist die ganze Nacht unterwegs, liefert die Rosen ab und kommt bis zum darauffolgenden Abend zurück. Er verbringt also mehr oder weniger 6 Tage und Nächte in diesen recht abenteuerlichen Fahrzeugen. Dies schmälert zwar unseren Gewinn aber zumindest kommen die Blumen auch an.

Letzte Woche haben wir mit einem großen Umzugstag die nächste Phase hier eingeläutet. Und für mich sehr schön ist es, dass diese Zeit auch mein Bruder, Pater Christoph und ein ihn begleitender Diakon, Alfred Hofmann, aus Füssen miterleben können.

Die Jungs haben ihr neues Haus bezogen und damit Platz im ehemaligen Bubenhaus gemacht.

Am 1. Februar erlebten wir hier einen großen Tag. Der "hohe Priester" aus dem Höhlenkloster Dimbulagala ist gekommen und mit ihm die neun Waisenkinder, die ich im Kriegsgebiet ausgesucht habe, sieben Mädchen und zwei Buben.
Es ist eine ganz seltene Ehre, dass dieser hohe Mönch sein Kloster verlässt. Einmal ist es sehr gefährlich für ihn, da ihm gewalttätige Leute nach dem Leben trachten und er sich nur unter dem besonderen Schutz einer Spezialeinheit bewegen kann. Dazu kommt, dieser Mann, der bereits jetzt wie ein Heiliger verehrt wird und vermutlich auch einer ist, trägt schwer an der Verantwortung für 87 Klöster und mehr als 1400 Mönche, die meisten im Kriegsgebiet. Er ist geistlicher und weltlicher Führer einer Region, die von großer Armut und Krieg geprägt ist und er hat sich, im Gegensatz zu den meisten Mönchen hier, nie von der Politik korrumpieren lassen. Seit fast zwei Jahren kenne ich diesen großen Mann und genieße sein Vertrauen. Viele Tage und auch Nächte war ich in diesem wie eine Festung bewachten Felsenkloster, habe gestaunt, woher er die Kraft nimmt und die Gelassenheit diese unmenschliche Verantwortung zu tragen. Nur zwei höchstens drei Stunden schläft er, den Rest der Nacht verbringt er mit Meditation.

Und während er tief in sich selbst ruht, schnitzt er unglaubliche Figuren, manchmal zehn Meter groß und das, obwohl er nie dieses Handwerk gelernt hat.

Der hohe Priester war hier, wir erlebten einen unvergesslichen 1. Februar 2001.

Wir hatten ab Ende Januar einigen Besuch im Kinderdorf, etwa die "Paten" Maria und Peter Bonas aus Österreich, Uli Pickl mit seinem Sohn aus Füssen und Birgit Stecher, eine junge Frau, die hier 4 Wochen mit großem Einsatz gearbeitet hat.

Besonders gefreut habe ich mich über die gemeinsame Zeit mit meinem Bruder Pater Christoph.
Ich bin ganz sicher, all diese Menschen wurden durch die Zeit hier in Little Smile beschenkt, konnten durch eigenes Erleben begreifen, dass auch heute noch Wunder möglich sind.

In der zweiten Februarwoche konnte Herr Bandula endlich aus dem Krankenhaus entlassen nach Little Smile zurückkehren.

Ein weiterer wichtiger Besucher, der am 10. Februar kam: Der "Chief of Mission" der deutschen Botschaft, Herr Kopp, hat den langen Weg nicht gescheut und uns in Little Smile besucht. Er war von dem, was er dort gesehen und erlebt hat, so beeindruckt, dass ich wenige Tage später eine Einladung in die deutsche Botschaft erhielt. Dort hatte ich Gelegenheit, den neuen deutschen Botschafter in Sri Lanka, Herrn Elias, ausführlich über Little Smile zu informieren. Die Botschaft wird uns in Zukunft bei Schwierigkeiten mit den singhalesischen Behörden unterstützen.

Die Schule hat inzwischen ihren regulären Betrieb aufgenommen, mit Dr. Udowita konnte ich einen sehr zuverlässigen Lehrer für Englisch und Singhalesisch gewinnen. Mit viel Glück habe ich auch einen ausgezeichneten, einheimischen Computerlehrer gefunden, der nun da weitermachen kann, wo Herr Stefan Barthel aus Berlin, der unsere Computerschule eingerichtet hat, aufgehört hat. Daneben werden unsere Kinder noch in Musik, Tanzen, Mathematik und Kultur unterrichtet.

Der Februar verging viel zu schnell, ganz einfach, weil unheimlich viel zu tun war. Nach langer Suche konnte ich in Herrn Jayawardana Abayakon Basnayaka Mudyansellage einen der wenigen echten Ayurvedaärzte zur Mitarbeit in Little Smile gewinnen.

Mit ihm haben wir alle unsere Heilpflanzen genau erfasst und begonnen, Rezepte zur Herstellung von Naturmedizin aufzuschreiben. Ich konnte ihn bei unserem Tempel nach sehr vielen Gesprächen auch überzeugen, sein großes Wissen an zwei unserer Kinder weiterzugeben.

Nach heftigen, späten Regenfällen im Januar konnten wir im Februar auch die unterbrochenen Bauarbeiten an den Werkstätten und Angestelltenhäusern wieder aufnehmen. Inzwischen haben diese Häuser bereits ihr Dach erhalten, die Installationen von Wasser und Strom sind in vollem Gang und ich bin zuversichtlich, dass ich diese Baumaßnahmen bis Mitte April abschließen kann.
Von großer Bedeutung waren sicher auch die Begegnungen mit dem Hindupriester Sami. Er wird nun verantwortlich sein für den Bau eines kleinen Hindutempels in Little Smile. Bisher konnten unsere tamilischen Kinder ja ihre Religion nur im Koslandatempel praktizieren.

Das Problem: Viele Tamilen misstrauten uns da sie befürchteten, wir würden in Little Smile Hindukinder zwingen zu Buddhisten zu werden.

Er wird nach dem singhalesischen Neujahrsfest, das in diesem Jahr vom 13. bis zum 15. April gefeiert wird, mit den Bauarbeiten in unmittelbarer Nachbarschaft zum buddhistischen Tempel beginnen. Voraussichtliche Fertigstellung im August 2001.

Unsere neuen Kinder aus dem Kriegsgebiet haben sich in Little Smile gut zurechtgefunden. Sie sind sehr gerne hier und ihre liebenswerte und dankbare Art hat mich für alle Anstrengungen mehr als belohnt.

Ich kann hier nicht in Worte fassen, wie schwer mir der Abschied gefallen ist. Aber es ist nun einmal meine Aufgabe, dort zu leben und arbeiten, wo ich Little Smile am meisten nützen kann. Ich werde also die nächste Zeit sicher unter unserer Emailadresse erreichbar sein.
Unsere neuen Kinder aus dem Kriegsgebiet.

Auch Sie haben ein Stück dazu beigetragen, dass sie und die anderen Kinder hier im Little Smile Village eine echte Chance bekommen auf ein menschenwürdiges Leben.

Das, worauf es ankommt, können wir nicht vorausberechnen.
Die schönste Freude erlebt man da,
wo man sie am wenigsten erwartet.


ANTOINE DE SAINT-EXUPERY
Danke, dass Sie uns auch in Zukunft begleiten werden auf dem langen Weg.Herzliche Grüße und Ayobowan Ihr

Michael Kreitmeir und die jetzt 41 Kinder in Little Smile