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Aufbruch

Wieder einmal heißt es Abschied nehmen, nach nur 4 Wochen in meiner alten Heimat.
Viele Erinnerungen sind hier, meine Wurzeln, Menschen die ich liebe und viele Menschen, die meinen Traum von mehr Ehrlichkeit, Mit-Menschlichkeit, von Geben und Teilen, von Freude und dem Recht auf ein Lächeln für alle Kinder dieser Welt mit mir teilen.
Ohne die Hilfe dieser Menschen könnten wir uns in Sri Lanka nicht den großen Problemen und Aufgaben stellen. Nichts ist für mich, für uns, für Little Smile so, wie es vor dem Tsunami war. Ihr Vertrauen ist für mich Auftrag und Verpflichtung, Little Smile ist längst mehr als ein Kinderdorf in den Bergen, ob es mir nun passt oder nicht. Little Smile steht in Sri Lanka als Beispiel für nachhaltige Hilfe, für Ehrlichkeit, Transparenz, für Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen und dafür, dass man auch ohne Spitzenverdiener und viele Millionen auf dem Konto etwas bewegen kann.
Doch es darf nie darum gehen, andere Organisationen oder Menschen zu beurteilen oder gar zu verurteilen. Wir schauen auf das, was wir tun, dafür und nur dafür tragen wir die Verantwortung. Es war und ist nicht mein Ziel durch die Tsunamikatastrophe viel Geld, Macht, Einfluss und Prestige anzuhäufen. Nie werden wir versprechen, was wir nicht einlösen können. Little Smile hat absolut keine Ambitionen eine von den großen Hilfsorganisationen zu werden. Freilich ist es unglaublich schwierig geworden, ohne festangestellte Mitarbeiter in Deutschland eine stets funktionierende Verwaltung aufrecht zu erhalten, stets bereit zu sein für ihre Fragen und Anliegen, die Buchführung professionell zu organisieren und all die unvermeidlichen Unkosten zu begleichen. Nur durch die selbstlose Hilfe von Menschen, allen voran von meiner Frau Elke, konnten wir dem Ansturm der Aufgaben in Deutschland nach dem Tsunami standhalten. Es gab und gibt für meine Familie kein Privatleben mehr ohne Little Smile.
In Sri Lanka möchte ich ganz besonders DANKE sagen an Anton, der über sich selbst hinausgewachsen ist, an Sheran, der, neu in Little Smile, durch seine Liebe und sein Engagement das Kinderdorf Koslanda dafür sorgt, dass das Kinderdorf Koslanda nicht zu kurz kommt, an alle unsere Betreuerinnen allen voran Bawani. Diese Frau hat seit Monaten weder Feierabend noch freie Tage genommen, war immer und überall da für die Kinder und alle Menschen, die Hilfe, ein gutes Wort, ein Lächeln gebraucht haben. Und da ist da noch mein Sohn Manuel, der in den schwersten Tagen gleich nach der Katastrophe ohne Vater mit unglaublichem Leid und Zerstörung konfrontiert wurde, der mit gerade einmal 18 Jahren über sich selbst hinausgewachsen ist und auf den ich, auf den sich Little Smile stets verlassen konnte und kann. Diese Menschen haben es möglich gemacht, dass Little Smile auch in diesen schweren und schwierigen Zeiten ein Lächeln geben konnte und kann für Menschen in Not.
In den 4 Wochen hier in Deutschland war ich sehr viel unterwegs, habe viele Zeichen von echter Hilfsbereitschaft erlebt, von Kindergartenkindern über Vereine bis hin zu großen Firmen. Der Tsunami hat etwas sehr Positives bewegt in uns, da gibt es keinen Zweifel. Inzwischen freilich wurde der Jahrtausendkatastrophe aus den Schlagzeilen verdrängt. Verschwindet sie und damit ihre Opfer auch bald aus dem öffentlichen Bewusstsein?
Für jedes Kind, das Little Smile aufnimmt, werden wir 10, 15 Jahre sorgen müssen (dürfen).
Und weil es meist nicht damit getan ist, Mauern aufzurichten und schnell möglichst viele Häuser hinzustellen, war ich in ganz Deutschland unterwegs. Einmal habe ich an einem Tag 1400 Kilometer runtergespult, war in Berlin und habe mit Frau Christina Rau, der Sonderbeauftragten des Bundeskanzlers für die Partnerschaftsinitiative Fluthilfe ein sehr gutes Gespräch führen können
um am selben Abend im genau entgegengesetzten Eck Deutschlands in Füssen im Allgäu Rede und Antwort zu stehen. Ich habe alten und neuen Freunden begegnen dürfen, ich war in Vorstandsetagen und in Schulen.

In Raubling bei Rosenheim vor vielleicht 1000 Gymnasiasten hatte ich ein tiefes Gefühl der Freude darüber, dass es so viele junge Menschen gibt, die etwas tun wollen, etwas Sinn- und Wertvolles, die fragen und suchen jenseits von Konsum und so genannten „Super-Stars“.

Diese 4 Wochen hier haben mir das Gefühl vermittelt, dass man sich um Deutschland keine Sorgen machen muss, allen Unkenrufen und pessimistischen Jammereien zum Trotz. Vielleicht sollte man den Aufschwung ganz einfach anders definieren, den Gott „Wirtschaftswachstum“ vom Thron stoßen und das neue Credo ICH durch ein WIR ersetzen.
Ich glaube wirklich, dass die Solidarität mit Little Smile, die ich spüren durfte und darf, etwas mit der Sehnsucht vieler Menschen nach einem Mehr an Menschlichkeit, nicht nur in Sri Lanka und nicht nur für Tsunamiopfer zu tun hat.
Ich bin seit dem 26. Dezember, noch mehr als bisher, an meine Grenzen gegangen, musste erkennen, dass Liebe auch immer etwas mit Loslassen und mit Verzicht zu tun hat. Ich habe keine Ahnung ob und wenn, JA wann ich meinen Beruf als Regisseur und Filmemacher wieder ausüben kann, ich weiß nicht, ob ich noch einmal zurückfinden werde in mein vergangenes Leben in Deutschland. Das Geld, das ich noch besitze, werde ich verteilen an Little Smile und an die Menschen, die ich in Deutschland zurücklassen muss, meine Frau, meinen Sohn Manuel und meinen Sohn Marco. Ich werde noch einmal im Sommer hierher kommen, um einen alten Vertrag mit dem Bayerischen Rundfunk zu erfüllen, danach sicher nicht mehr so oft. Ich werde meine alten, kranken Eltern zurück lassen müssen, aber wird nicht jedes neue Leben aus Schmerz geboren? Habe ich eine Wahl? Gibt es ein halbes JA?
Es ist sehr wichtig, dass ich mein Können, meine Erfahrungen, meine Vision dort in Sri Lanka weitergebe, damit es auch nach mir weitergehen kann. Ich bin voller Zuversicht, dass mir genug Zeit geschenkt wird, dass der Same auch weiter aufgeht, hier in Deutschland und im fernen Sir Lanka. Ich habe keine Angst vor dem was kommt, ich brauche keine Versicherungen, kein dickes Bankkonto oder eigenes Haus mehr, denn ich weiß, dass ich nicht alleine bin mit meinem Traum. Ich habe viel Solidarität, Menschlichkeit und auch Liebe spüren dürfen und dafür möchte ich DANKE sagen.
Auf einer meiner Fahrten zu den Helfern und Unterstützern in den vergangenen Wochen habe ich das Lied „VIELLEICHT“ von der Gruppe „Söhne Mannheims“ gehört. Ich werde die Botschaft dieses Liedes von Liebe, Glaube und Toleranz, den Appell für mehr Mut, Glaube und Offenheit mitnehmen in diese andere Welt voller Angst, Zerstörung und Misstrauen, zusammen mit Ihrem Vertrauen, Ihrem Auftrag.


Ich bitte Sie aber um Geduld und Verständnis dafür, dass Wunder möglich sind aber nicht über Nacht geschehen.
Ich werde bis Ende August kaum dazu kommen zu Schreiben oder unsere homepage unter www.littlesmile.de zu aktualisieren. Es gibt ganz einfach zu viel zu tun, zu viel Menschen, die auf ein Lächeln dort warten. Auf ein Zeichen der Hoffnung und eine Chance.
Ich wünsche Ihnen hier einen schönen Sommer mit wertvollen Momenten, mit Zeit für sich für Andere und einem Gedanken an Little Smile.

Ayubowan („Ein guter Geist sei mit Ihnen)
Ihr

Michael Kreitmeir