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Koslanda am 24. August 2007

Von Kindern, Bäumen und wilden Elefanten

Vor der Hitze dieses Augusttages gibt es kein Entkommen. Der Deckenventilator steht still: Powercut, Stromausfall, ist in der Trockenzeit mehr Regel als Ausnahme. Stundenweise nur gibt es Energie aus der Steckdose, die Staudämme sind leer. Treibstoff für die Dieselkraftwerke ist teuer, der Staat ist nahezu bankrott seit die Subventionen und Hilfen aus dem Ausland nicht mehr so reichlich fließen.
Die Hitze steht und selbst den kleinsten Lufthauch muss man aussperren weil sich sonst Asche überall im Haus festsetzt. Die Hänge rund ums Kinderdorf brennen! Warum weiß keiner so genau, in jedem Fall aber ist es Brandstiftung und die kümmert hier in den Bergen Sri Lankas Niemand. Man komme leichter an Brennholz, wenn man das bis zu 4 Meter hohe Elefantengras niederbrenne, könne die Tiere, ihrer Verstecke beraubt, leichter jagen, so die Argumente, die man immer mal wieder hört. Es sind fast Kuhgroße Rehe, auf die es die Wilderer besonders abgesehen haben. Bei vielen Brandstiftern scheint es aber nur um die Freude an der Zerstörung zu gehen, seltsame Machtgefühle, die diese kranken Menschen angesichts der Feuer, die sich verheerend durch die Bergwälder fressen, überkommen.
Nie werde ich das Schreien – und es war wirklich ein verzweifeltes Schreien – von hunderten von Papageien vergessen können, die um die oft 50 Meter hohen Feuersäulen kreisten. Viele Vögel brüten im August, ihre Nester mit den Jungen werden nur zu oft ein Raub der Flammen.
Die Feuer machen auch vor dem Kinderdorf Little Smile nicht halt. Trotz meterbreiter Schneisen entlang der grenze springen die Flammen immer wieder über und müssen bekämpft werden.
Das Heulen ja Brausen des Feuers, das scheinbar mühelos über meterbreite Schneisen springt,. nie vorher habe ich so eine ungeheure Gewalt erlebt, so unvorstellbar heiß und vernichtend. Manchmal dreht der Wind, erfassen die Flammen eine Hütte, zuweilen verbrennen auch Menschen immer aber töten diese Feuer zahllose Lebewesen, Tiere und Pflanzen, verwandeln die Vielfalt der Grüntöne in ein lebloses Grau und Schwarz.

Und nun sind auch noch die Holzfäller eingefallen. Gegenüber dem Kinderdorf bedeckten die Hänge bis zu den Gipfeln der Mittelgebirge mächtige Fichtenwälder, einst von dem Engländern hier gepflanzt. Exotisch wirken Sie für Viele, mir aber waren und sind sie immer ein Stück Heimat in der Fremde gewesen, dieser schwere Duft, der in den Tropen so selten ist. Selbst die Feuer, die mehrmals jährlich gelegt wurden, konnten diesen Baumriesen nichts anhaben, färbten nur ihre borkige Rinde schwarz. Gewaltig, scheinbar unbesiegbar standen sie da, boten den wilden Elfanten zwar keine Nahrung dafür aber ein sicheres und kühles Versteck an heißen Tagen. Vor ein paar Monaten kamen dann die Bulldozer, schoben mit unglaublicher Brutalität eine Schneise in den Wald, schraubten sich förmlich langsam, Meter für Meter, die steilen Hänge hoch und zerschmetterten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Zuerst hielt ich es nicht für möglich, dass diese Ungeheuer aus Stahl diesem schier unendlichen Meer aus Bäumen wirklich etwas anhaben könnten aber dann kamen, wie Heuschrecken, diese Wesen mit ihren Motorsägen. Von Wald zu Wald ziehen sie und hinterlassen eine Wüste. Man kann dem Kreischen ihrer Sägen nicht entkommen, dem Stöhnen der Bäume und dem dumpfen Schlag des Fallens. Vom frühen Morgen bis zur Dunkelheit ohne Pause geht dieses Schlachten.
Verstehen wir wirklich erst, wenn es zu spät ist,
wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Bach vergiftet, der letzte Elefant getötet wurde?
Mag sein, dass es an der Zeit ist sie zu fällen aber noch nie habe ich so einen Kahlschlag erlebt, vielmehr erlitten. Überall klaffen die braunen Wunden im dunklen Grün, Tag für Tag werden aus mächtigen Bäumen nur Stämme die von ganzen Karawanen von Lastwagen irgendwohin gebracht werden, weit weg, wo Niemand etwas mehr ahnen kann von der Schönheit dieser dunklen Berghänge inmitten des tropischen Grüns, einer Schönheit die für immer verschwinden wird.
Niemand scheint dieses unglaubliche weil so totale Zerstörungswerk zu stören, im Gegenteil. Jetzt wo die Holzschlag-Profis schon mal da sind gibt es so manchen Zusatzauftrag. Überall kreischen Sägen los, stöhnen Bäume und fallen. In wenigen Stunden wird niedergemetzelt, was Jahrzehnte, oft sogar Jahrhunderte zum Wachsen gebraucht hat. Schneisen werden in diese letzten, fast unberührten Bergwälder geschlagen, zahllose kleinere Bäume werden niedergewalzt wenn die mächtigen Stämme mit brutaler Gewalt aus dem Dickicht gezogen werden. Man möchte schreien, um Hilfe rufen, Irgendjemand muss doch diesen Wahnsinn stoppen! Aber Holz ist kostbar, wertvoll besonders seit der Bauboom nach der Tsunamikatastrophe die Wälder in leichter zugänglichen Gebieten verschwinden lies. Seitdem, schwärmen die Männer des Dorfes aus auf der Suche nach den letzten Urwaldriesen, werden mit unvorstellbarer Brutalität Pisten für Traktoren in die Wälder getrieben und Giganten der Natur mit Hacken und Motorsägen verstümmelt, zerhackt, ausgelöscht.

Wie Inseln in all dieser Zerstörung erheben sich die Wälder auf den Grundstücken, die Little Smile gehören.
Besonders in einem etwa 50 Hektar großen von einem Fluss durchzogenen Seitental, das wir zu einem Naturschutzgebiet erklärt und Little Smile 2 genannt haben, drängt sich eine Elfantenherde mit zwei Bullen, 7 Kühen und drei Jungtieren, Berghirschen, Wildschweine, zahlreiche Affenarten und andere heimatlos gewordene Wildtiere zusammen.
Zwei Wildhüter, mehr aber noch meine eigenen, auch nächtliche Streifzüge durch diesen faszinierenden Stück Bergdschungel können diese Oase bisher schützen.






Auch in Dikkapitia, wo die „Little Smile Organic Limited“ Pfeffer, Zimt und Nelken anbaut, um mit dem verdienten Geld das Kinderdorf zu unterstützen,
überlässt man den Großteil des Landes der Natur und den wilden Tieren.
Doch nicht überall sind uns die Wildtiere wirklich willkommen.
Gerade in einem sehr schönen Grundstück auf einer Bergkuppe, das wir „heavensdoor“, Tor zum Himmel nennen, richten wilde Elefanten großen Schaden an, indem sie Zäune niedertrampeln und so den halbwilden Kühen den Weg bereiten, die dann unsere Jungbäume auffressen. Wideraufforstung ist hier ein mehr als mühsames Geschäft. Aber wo sollen sie auch hin diese letzten freien Riesen? Nur wo Menschen leben und Pflanzen anbauen, die sie für nützlich halten, wird kaum Feuer gelegt. Für die Elefanten wird das Futter knapp und so holen sie sich von den Menschen zurück, was die ihnen genommen haben. Freilich gibt es für die den Buddhisten heiligen Tiere bei dieser Konfrontation keine Chance auf ein Happy End. Im besten Fall werden sie eingefangen und in einen der Nationalparks gebracht, dürre Steppen, wo schon jetzt Futter und Wasser knapp ist. In Massen gibt es dafür Jeeps, die hier vom frühen Morgen bis in die Nacht zahlende Touristen herumkutschieren. Wehe, die bekommen dann bei all den Kosten keine Elefanten vor die Kamera! Um zu verhindern, dass die Dickhäuter in das umliegende Buschland flüchten wird das rechtzeitig vor der Touristensaison großflächig niedergebrannt.
Wenn die wilden Elefanten nicht mehr genügend Lebensraum haben, kommt es immer wieder zur Konfrontation Mensch – Tier. Doch auch wenn diese Lehmhütte von einem wilden Bullen niedergetrampelt wurde, letztlich verlieren immer die Elefanten.
Als ich mich 1997 auf das Abenteuer Menschlichkeit in Sri Lanka eingelassen habe, dachte ich an ein sicheres Zuhause für Kinder in Not, an ihre Versorgung, an Fürsorge und Erziehung. Doch wie sollte ich diesen Kinder eine Zukunft geben, wenn Tag für Tag die Grundlagen genau dieser Zukunft zerstört werden? Ohne den Schutz der Natur, ohne Erziehung zu Respekt vor allem Leben, ohne verantwortungsbewussten und sparsamen Umgang mit Trinkwasser, ohne Müllvermeidung und Reduzierung jeder Verschmutzung wird dieses Morgen ein trauriges sein.

Und so entstanden fast zwangsläufig die Naturschutzprogramme von Little Smile. Mehr noch: dem gedankenlosen, ja fahrlässigen Umgang mit Spritzmitteln, der Vergiftung der eigenen Lebensmittel und des Grundwassers musste ich irgendwie Einhalt gebieten. Doch nur was sich in barer Münze auszahlt, kann man im Bewusstsein der Menschen hier verankern. Von dieser Erkenntnis bis zur Gründung der Little Smile Organic Limited war es dann nur noch ein kleiner geistiger Schritt, wenn auch erschwert durch zahllose bürokratische Hindernisse. Selbst die Berater der staatlichen Stelle für organischen Anbau bekommen häufig großzügige Provisionen wenn sie chemischen Dünger und Pestizide an die Ratsuchenden verkaufen.
Dass sich der Anbau von Gemüse, Früchten und besonders Gewürzen ohne den Einsatz der chemischen Keule lohnen kann, war für viele Bauern hier eine völlig neue Erkenntnis. Dazu aber mussten wir Strukturen aufbauen, um den Prozess vom Anbau bis zur Ernte zu begleiten und wir mussten auch noch die Qualitätskontrolle übernehmen und den Verkauf organisieren. 93 Farmer haben sich bis zum heutigen Tag verpflichtet ohne den Einsatz von Chemie zu wirtschaften und sind unserer Kontrolle unterworfen.




Auch im Kinderdorf werden Pfeffer, Nelken und Zimt angebaut. Es gibt regelmäßigen Unterricht in organischer Landwirtschaft, in dem die Kinder lernen, dass es auch ohne den Einsatz von Spritzmitteln und Chemie geht. Gleichzeitig sind die Kinder stolz auf ihren Erfolg und darauf, dass sie einen kleinen Beitrag leisten können, wie hier Samantika beim Sortieren der Nelken.
Gibt es also Hoffnung? Es gibt immer Hoffnung so lange es Kinder gibt und wir einen Weg finden in ihr Denken und Fühlen!
Und, es ist höchste Zeit für ein totales Umdenken:
1997 gab es schätzungsweise 20.000 frei lebende Elefanten, heute sind es weniger als 2000 und jeden Tag werden es weniger.
Dass es letztlich gar nicht nur um das Überleben dieser größten Landtiere unseres Planeten geht, sondern um unser eigenes Leben, Überleben, das erfahren die Kinder von Little Smile jeden Tag. Durch diese Kinder, so meine Hoffnung, wird der Same aufgehen und vielleicht ist es noch nicht zu spät.
Manchmal wenn ich von Heavensdoor herunterschaue auf die brennenden Wälder, wenn sich Asche wie ein Trauerflor auf alles legt, dann spüre ich eine große Traurigkeit, dann fühle ich mich ohnmächtig und ausgebrannt wie die Welt um mich herum. Dann hilft mir die Erinnerung an das, was mir mein Vater vor vielen, vielen Jahren mit auf den Weg ins Leben geben hat: „Selbst wenn Alle behaupten, dass Morgen die Welt untergehen wird, suche einen schönen Ort und pflanze dort einen kleinen Apfelbaum!“
Ohne Little Smile würde das tamilische Mädchen Divia sicher nicht tanzen, hätte dieses Kind keine Chance auf ein Leben in Würde.
Divia trägt eine Kerze, mehr als nur Symbol dafür, dass durch jedes Kind die Hoffnung lebendig bleibt, dass wir Menschen eines Tages verstehen:
Nur wer Liebe gibt wird Liebe ernten!