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Ostern 2013 von Anka

München, 28.03.2013


Lieber Herr Kreitmeir, lieber Lokuthatha

Es ist also so weit, der Karfreitag steht vor der Tür. Der für mich bedeutendste Tag der Christenheit. Dass gerade ein solches Ereignis das Kernstück unseres Glaubens bildet erscheint vielen völlig abstrus. Weihnachten passt da viel besser in die Standarderwartungen: das kleine Baby, einfach eine schöne Geschichte. Über den Tod, da spricht man ja nicht gerne, ein heikles Thema, und über so einen Tod schon gleich gar nicht. Habe mich ja im letzten halben Jahr mehr als mir lieb war mit dem neuen Testament beschäftigt und egal welchen Text man da liest, ohne den Kreuzestod Jesu macht er keinen Sinn. Im Examen musste ich folgenden Text übersetzen und letztendlich auslegen, über den ich mir bis heute noch viele Gedanken mache, weil da richtig was drinsteckt:

Und er sprach zu Ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den Heiligen Engeln.

Das sind doch krasse Worte, oder? Was heißt also diese Christusnachfolge? Sein Kreuz auf sich nehmen? Was heißt sein Leben verlieren? Welche Art von Leben wird gewonnen bzw. verloren? Musste dabei wieder mal an Sie denken, wie Sie ihr Leben aufgegeben haben für etwas, das für mich pure Christusnachfolge ist. Christusnachfolge heißt Leidensnachfolge bis zum Kreuz. Vieles was mit Ihnen passiert kann man ja wirklich als Leiden bezeichnen: ob man jetzt das direkte physische Leiden meint, wie Sie es etwas im Gefängnis erfahren mussten oder auch das seelische Leiden, wie etwa das, was gerade jetzt mit all den Enttäuschungen an Ihnen nagt. Anders kann ich Christus- bzw. Leidensnachfolge nicht verstehen. Eine Nachfolge ohne Kompromisse des eigenen Lebens wegen. Nicht sein Leben erhalten, sondern verlieren und es dadurch erhalten. Ist das nicht gerade für Sie ein unglaublich wahrer Text? Können Sie sich erinnern, was ich kurz vor meinem so schmerzvollen Abschied im September zu Ihnen gesagt habe, obwohl ich damals gar nicht so genau darüber nachgedacht hab: „Es ist so viel schwerer nach Deutschland zurückzukehren, als bei euch zu sein, obwohl alles viel schwerer ist.“ Genau das bedeutet für mich das „Leben verlieren und dadurch erhalten.“ Und genau damit kämpfe ich hier jede Sekunde. Ich habe hier alles, was ein Mensch an sich bräuchte, viele Annehmlichkeiten, von denen ich in Sri Lanka nur träumen kann und dennoch habe ich nichts. Vielleicht haben Sie ja mal eine stille Sekunde während der Osterfeierlichkeiten, vielleicht ja an unserem Teich, wo Sie über diesen Text nachdenken können. Ein für mich sehr bedeutender Text mit einer unglaublich großen Wahrheit.

Und so sitze ich hier an diesem Gründonnerstag und würde sehr viel dafür geben nur die wenigen Feiertage bei euch sein zu können. Ich habe so viele tolle Erinnerungen gerade an dieses Osterfest. Ich erinnere mich an die Kreuzwege, die wir gemacht haben – kannte das ja als Protestantin überhaupt nicht. Ich erinnere mich an das Ostereiersuchen und auch das Färben. Wie ich jedes Jahr neu kämpfte, dass unsere kitchen ladies die Eier auch abschrecken und vor allem einstechen, damit sie nicht platzen. Und wie wir dann immer am Samstag spät abends in der Küche saßen und gefärbt haben. Eine Arbeit, die man auch allein machen könnte, weil man ja nur Becher befüllt und dann wartet. Doch wir haben immer für ordentliche Stimmung und Freude gesorgt. Erinnere mich an Dilhani, die immer ganz akribisch die schönsten Eier hinbekommen hat, weil sie ständig neue Techniken ausprobiert hat. Saradha und ich haben immer rumgekappelt, wer das schönste rosa Ei hat oder Maha, die im letzten Jahr da eher flüchtig und wenig sorgfältig an die Sache ging und der wir ständig neu erklärt haben, wie sie das machen muss. Das waren Momente, wo wir wirklich zusammengearbeitet haben, Freude an der Arbeit hatten und noch viel mehr gute Gespräche dabei. War letztes Jahr um 6 Uhr morgens am Teich und hatte so viele gute und tiefe Gedanken dort. Dann die Gedanken in der Chapel….es fällt mir noch so viel mehr ein.

Aber nun bin ich halt hier in München. Bin grad mit einer Freundin extra früh aus der Bibliothek, um in einen Gründonnerstagsgottesdienst zu gehen. Wir haben uns eine Gemeinde in Uninähe ausgesucht, damit wir schnell hinkommen. War leider katastrophal, absolut gehaltlos. Hatte lange überlegt, wie ich denn meinen Karfreitag verbringen soll. Habe mich schließlich dafür entschieden zu arbeiten, denn da wird morgen die Matthäuspassion von Bach gespielt. Ein sehr bewegendes Werk, da, meiner Meinung nach, keiner es schaff wie Bach mit Musik die Gefühle zu wecken, die die biblischen Texte aussagen möchten. Meine Kollegen stöhnen schon alle, weil es eben kein freudiges Werk ist, sondern vielmehr eine echte Passion, passt für die Menschen hier nicht so toll. Aber für mich ist es das einzig Richtige, das ich morgen machen kann, wenn schon die Alternative Little Smile nicht besteht. Werde das zwei mal hören, also 11 Stunden auf der Arbeit im Gasteig sein, aber ich hoffe so sehr, dass mir das ein bisschen das gibt, was ich so in Little Smile denken und fühlen konnte und ich wirklich hier im Alltag einfach zu sehr vermisse.

Lokuthaththa, ich werde morgen sehr viel an euch denken und hoffe, dass Sie einen Karfreitag haben, wie ich ihn aus den letzten Jahren mit euch kenne, denn dann ist es genau richtig. Ich fühle mich euch sehr nahe, auch wenn ich so unglaublich weit weg bin und die Gedanken, die ich an euch fassen kann alle nicht mehr so ganz aktuell sind, weil einfach viel zu viel Zeit vergangen ist, als dass ich noch voll und ganz dabei sein kann und alles begreifen kann, was bei euch passiert. Sicherlich hat sich so viel verändert, von dem ich nichts weiß und es somit auch nicht denken kann. Dennoch bin ich mir ganz sicher, dass der Ort nach dem ich mich so sehr sehne immer noch genau der ist, den ich kenne.

Grüßen Sie alle Bewohner von Little Smile ganz lieb von mir. Ich bin euch gerade jetzt sehr, sehr nah!

Ihnen ganz tolle Feiertage!
Anka