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Little Smile Sri Lanka - 15 lange Jahre

Die letzten Nächte habe ich zahllose Bilder angeschaut, bin in meinen Gedanken zurückgereist, habe in meinen Erinnerungen geblättert.
Vor genau 15 Jahren, am 28. März 1999, habe ich die Kaufurkunde für das Gründstück bei Koslanda unterzeichnet und damit den ersten Schritt getan, damit Little Smile in Sri Lanka in eigenen Projekten dauerhaft und nachhaltig Hilfe und Unterstützung geben kann.
Rein rechnerisch sind seitdem 5478 Tage vergangen, davon etwas mehr als 4000 für mich in Sri Lanka. Nicht ein Tag davon ist so gelaufen wie geplant, die Überraschung war die Regel, es gab gute und schöne aber auch schwere und sehr traurige Momente.
Ich hatte damals keine Ahnung auf was ich mich hier einlassen würde. Wie auch hätte ich Tsunamikatastrophe und die Endphase des Bürgerkrieges voraussehen können und was sie für mich und die Arbeit in Sri Lanka bedeuten würden? Wie hätte ich wissen sollen, dass ich auch an menschliche Grenzen stoßen würde, dass sich Abgründe auftun würden, dass Gutes häufig mit Bösem vergolten werden sollte? Es waren gerade die Einheimischen, denen ich am meisten gegeben, denen ich wirklich vertraut habe, die mich bitter enttäuschen sollten, die bereit waren mich und Little Smile zu zerstören, um ihre grenzenlose Gier zu befriedigen. Lügen und Intrigen haben mich verfolgt, ich wurde in und durch Medien verleumdet, wurde angegriffen sogar eingesperrt.
Das Wunder von Little Smile ist, dass es dieses Lächeln in Sri Lanka nicht nur noch gibt, sondern dass es, allen Anfeindungen zum Trotz, gewachsen ist, stärker wurde und nach 15 unendlich langen und ganz sicher nicht einfachen Jahren Zeugnis davon ablegt, dass das Gute möglich ist, wenn man es tut, ohne Angst aber auch ohne faule Kompromisse.


Ich möchte versuchen, diesen kaum noch fassbaren, weil so ereignisreichen Zeitraum in Abschnitte zu unterteilen, denn es gab Phasen, die sich grundlegend voneinander unterschieden:

Der Anfang - 1997 bis 2000:

Ja zu sagen zum ersten Schritt, dem Schritt weg von Karriere, weg von Gewohntem, Vertrautem und auch Geliebtem. Loslassen tut weh, denn die erfolgreiche Laufbahn im Fernsehen duldet keine längeren Pausen, beruflichen Erfolg muss man sich immer wieder neu erstreiten, verdienen. Dem Kopfschütteln um mich herum trotzen, offen werden für etwas Neues, bei dem es mehr darum geht, was man für Andere tut, als darum, wo der eigene Vorteil liegt.
Durch die Zusammenarbeit mit STERNSTUNDEN, der Benefizaktion des Bayerischen Fernsehens, Tatsachen schaffen, die Leitung der Sendereihe Kunst & Krempel abgeben, die Eröffnung der ersten beiden Kinderhäuser bei Koslanda...
Das Problem: Viele in Deutschland hielten mich zumindest für überdreht. Wie kann man so eine Karriere aufgeben? Andere vermuteten eine Art von Zivilisationsmüdigkeit oder eine persönliche Krise, Flucht vielleicht? Ich hatte Familie, mein Sohn Marco war gerade erst geboren, ich liebte meinen Beruf, meine Familie, meine Heimat. Und doch wusste ich einfach: Wenn ich diesen Schritt nicht jetzt mache, wenn ich weiter SPÄTER sage, wird es eines Tages zu spät sein. Es war Zeit zu geben von dem, was ich bis dahin so reichhaltig bekommen habe, ganz besonders Liebe.

Das doppelte Leben - 2001 bis 2004:

Warum nicht zwei Leben an zwei so unterschiedlichen Orten leben? Zunächst schien es auch, als würden sich diese so unterschiedlichen Wege nicht nur kreuzen, sondern gegenseitig unterstützen. In Deutschland der Medienmacher, der Regisseur und Fernsehjournalist, der den Menschen von dieser anderen Welt berichtet, ihnen etwas vorlebt, etwas was Sinn macht und Freude.
Der Beruf in Deutschland also auch, aber nicht nur als Unterstützer der neuen Aufgabe, aber auch weil er immer noch Freude macht, weil ich es genieße, in Bildern Geschichten zu erzählen, weil ich etwa das halbe Jahr bei und mit meiner Familie, meinen Eltern und mit Freunden sein kann.
Das Problem: Immer wenn sich die Abreise aus Sri Lanka anbahnt, werden Berge von Problemen aufgetürmt, die Abhängigkeit von Einheimischen als Damoklesschwert, das man in der Seele mitschleppt. Der untaugliche Versuch, Entwicklungen in Sri Lanka von Deutschland aus zu steuern. Die Folge: Missverständnisse und viel Streit um Macht unter den Mitarbeitern in Sri Lanka.
Trotzdem wächst das Kinderheim in Koslanda zu einem Dorf für Kinder in Not.

Die doppelte Katastrophe – 2005 bis 2007:

Durch die Tsunamikatastrophe am 2. Weihnachtstag des Jahres 2004 wurden nicht nur Hunderte von Kilometern entlang der Küste in Sri Lanka verwüstet und etwa 80.000 Menschen getötet. Durch diese apokalyptische Welle, die an Weihnachten 2004 in wenigen Momenten ein Urlaubsparadies zertrümmerte, wurde eine unglaubliche Welle nahezu weltweiter Hilfsbereitschaft ausgelöst. Schnell erkannte so mancher in Sri Lanka und nicht nur da, dass sich hier eine einzigartige Chance bot, schnell reich zu werden. Behörden, Hilfsorganisationen, Privatleute, alle standen unter dem ungeheuren Erwartungsdruck nun mit den zahllosen Millionen auch schnell zu Ergebnissen zu kommen. Die Medien wollten 2005 Taten und Helden, Phönix sollte aus der Asche auferstehen und zwar schnell. Schulen suchten Partnerschulen, Gemeinden, Landkreise, Städte, alle wollten sie ihren Beitrag leisten und dann aber auch herzeigen was man zusammengebracht hatte. Und wie immer bei solchen Katastrophen wirken sich lächelnde Kinder gut auf die Spendenbilanz aus, also wollten Viele schnell mal ein Kinderheim aufmachen oder zumindest eines für die eigene Gemeinde sichern, für die unterstützende Firma.
In Deutschland wurden wir für etwa ein Jahr stark beachtet und großartig unterstützt. Ich war gezwungen, quasi über Nacht mein Leben in Deutschland aufzugeben, dachte damals noch, es gäbe irgendwann wieder einen Weg zurück. Der Höhepunkt der öffentlichen Anerkennung fand bei der Weihnachtsgala von STERNSTUNDEN im Jahr 2005 statt. Doch dann wurden die Berichte und die Unterstützer weniger, irgendwann blieben nur wenige. Der Bayerische Rundfunk schickte mir bereits 2006 eine Abmahnung doch bald möglichst wieder meine normale Arbeit aufzunehmen, danach die Kündigung. Nur sehr, sehr wenige gingen mit mir, mit uns den Weg weiter, taten das, was zunächst alle versprochen hatten: Nachhaltig helfen!

War Little Smile vor diesem 26. Dezember 2004 in Sri Lanka sehr positiv aufgenommen worden und weitgehend akzeptiert, auch bei Behörden, sollte sich das nun gewaltig ändern. Sozialarbeit, besonders mit Kindern, schien nun lohnendes Geschäft, Konkurrenz, Neid, Missgunst und Intrigen folgten. Dieser Wahn ging etwa zwei Jahre, danach waren die Großen der Hilfsindustrie längst weiter gezogen zu neuen Schauplätzen, ins Eldorado der nächsten Großkatastrophe. Zurück blieb ein Sri Lanka, wo viele Erwartungen geweckt, viele Versprechungen gebrochen, Hunderte von Millionen Dollar an zugesagten Hilfsgeldern nie angekommen und viel Geld verschwunden war, nicht wenig davon angeblich im damals noch von den Tamilenrebellen kontrollierten Osten und Norden der Insel.

Nichtregierungsorganisation – das neue Feindbild - 2008 bis 2009:

Die Regierung erklärte die Hilfsorganisationen und besonders die noch im Land verbliebenen Nichtregierungsorganisationen zu Unterstützern des Terrorismus. Bei der Rückeroberung von immer mehr Gebieten im Norden und Osten fanden sich nämlich kaum Spuren der angeblich dorthin geflossenen Hilfsgelder. Ob unterschlagen oder wirklich zweckentfremdet? Tatsache war, viel Geld blieb verschwunden. Doch auch im Rest des Landes zeigte sich nun, dass viele der zugesagten Hilfsgelder nie gekommen waren und das, was kam, oft nicht sinnvoll und gerecht verteilt worden war.
2007 wurden die Visavorschriften für Ausländer in Nichtregierungsorganisationen (NGOs) extrem verschärft, fast alle ausländischen Verantwortlichen mussten das Land verlassen, Kontrolle vor Ort wurde so noch schwerer.
Alle NGOs, auch Little Smile, wurden dem Verteidigungsministerium unterstellt, der Ton wurde sehr unfreundlich.
2009 wurden die tamilischen Separatisten vernichtend geschlagen, neues Feindbild wurden die wenigen im Land noch verbliebenen Nichtregierungsorganisationen.
Da die Little Smile Association eine lokale NGO ist, wenn auch mit einem Ausländer (mir) als Gründer und Präsident, da wir weitab von den Schauplätzen der neuen Verteilungskämpfe, der touristischen Küste, den Schwerpunkt unserer Arbeit in der ärmsten Region des Landes, der Badulla Provinz haben, konnte ich unsere kleine aber eben sehr erfolgreiche  Kinderhilfsorganisation lange vor Repressionen schützen und unsere Arbeit einfach fortsetzen. So konnten wir in dieser Zeit alle begonnen Tsunamigroßprojekte auch erfolgreich abschließen. Einige, wie das Krankenhaus in Kalmunai, übergaben wir an den Staat, andere, wie das Ausbildungszentrum in Buttala, führten wir in Eigenregie weiter oder kooperierten wie bei der Internationalen Schule an der Ostküste mit einem Schwesternorden. 

Der Verrat - 2010 bis 2012:

Im Frühjahr 2010 versuchte mich ein lokaler Minister zu erpressen. Ich sollte mir sein Wohlwollen mit viel Geld erkaufen. Ich lehnte ab und zeigte ihn an.
Im Sommer dann wurde ich verhaftet, als man bei einer Straßensperre in meinem Fahrzeug angeblich Drogen entdeckte. Ich kam ins Gefängnis, wurde aber, auch dank der großartigen Hilfe aus Deutschland, wieder freigelassen. Einige Monate später dann wurde der Prozess einfach eingestellt. Was ich damals nicht wusste:  Die Drogen waren mir von dem Mitarbeiter in den Wagen gelegt worden, der am längsten mit mir arbeitete, der am meisten profitiert und dem ich wirklich vertraut hatte. Und er war nicht alleine, ganz im Gegenteil. Viele wollten mich loswerden, denn so lange ich da war, konnten sie nicht stehlen, nicht betrügen, also musste ich weg. Als ich dann überraschend freikam, hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie nahe mir die Verräter waren. Dies erkannte ich erst, als man zwei unserer Projekte an der Südküste mit Gewalt besetzt und mir kriminelle Totschläger in die Berge schickte.
Es ist unmöglich, die Enttäuschung und Trauer darüber, wie diese Menschen all das Gute, das ich gerade auch ihnen getan habe, mit Bösem vergalten, zu beschreiben. Doch selbst in diesen ganz dunklen Wochen und Monaten gab es einige Wenige, die unerschütterlich zu mir und zur Idee von Little Smile hielten. Besonders aber waren es die Kinder, die mir Tag für Tag die Kraft gaben weiterzumachen, zu kämpfen und nach manch schmerzlicher Niederlage wieder aufzustehen. Sie ließen mich einfach spüren: Was richtig ist, bleibt richtig und was falsch ist, bleibt falsch und Little Smile tut das Richtige!

Wiederauferstehung - ab 2013:

Wer ganz unten war, der fürchtet sich nicht mehr, weil er weiß, schlimmer kann es nicht mehr kommen. Und er hat sich selbst bewiesen, dass es danach nur eine Richtung geben kann: AUFWÄRTS! Es gab für mich keine Alternative als das Richtige und Wichtige zu tun. Ich mistete gewaltig aus, stellte mich der traurigen und für mich so bitteren Wahrheit und ging mit den wenigen Getreuen und einigen Neuen den Weg weiter.
Ich habe erlebt und erlitten, dass der, der kompromisslos Gutes tut sich viele Feinde macht, dass der, der erfolgreich ist, von Neidern verfolgt und Schmarotzern bedrängt wird. Ich habe jeden Tag einfach NEU begonnen, zwar gelernt aus dem Gestern aber mich niemals davon schrecken lassen. Jeder Tag bietet eine neue Chance und letztlich ist man nur für das verantwortlich, was man tut oder eben nicht tut.
Den tiefen Schmerz des Verrates werde ich wohl so lange in mir tragen, so lange ich lebe. Aber er wird mich weder entmutigen noch zerstören.
Vor wenigen Tagen hat mir ein Minister Sri Lankas auf die Schulter geklopft und gemeint: „Es ist ein Wunder, dass es dich und Little Smile hier noch gibt. Irgendwer oder irgendwas, das viel stärker und mächtiger ist als all das um uns herum, muss dich beschützen, also mach dir keine Sorgen.“ Und dann hat dieser Mächtige des Staates verwundert den Kopf geschüttelt.

Rückblick:

Ich kann selber manchmal nicht glauben, was ich alles hier erlebt und auch überlebt habe. Ich habe unglaublich viel gelernt, musste ständig Grenzen überwinden, habe beitragen können, sehr viel zu bewegen. Ich habe erkannt, dass meine tiefen Wurzeln in der alten Heimat liegen, dass ich aus ihnen die Kraft und Zuversicht in mein Herz sauge. Es sind Menschen dort, die, egal wie anders ihr Leben abläuft, mit dem Herzen sehen, die spüren, auf was es ankommt und wie schön es ist zu geben, zu teilen, zu vertrauen und mit einem Lächeln beschenkt zu werden.
Ich danke meiner am 5. Oktober 2007 verstorbenen Mutter dafür, dass sie mich damals liebevoll hat ziehen lassen, dass sie zusammen mit meinem Vater nach anfänglichen Zweifeln zu einer maßgeblichen Unterstützerin der Idee „Little Smile“ geworden ist und ganz besonders dafür, dass Sie mir gezeigt hat, was Liebe ist und was sie vermag.
Ich danke meinem Vater für das Vorbild eines geraden, aufrichtigen von Werten getragenen Lebens.

Ich danke meiner Frau, die ich zurückgelassen habe ohne sie in meiner Seele zu verlassen und die dieses mein Lebenswerk in Deutschland nach Kräften unterstützt.

Ich danke meinem älteren Sohn Manuel, der ein Jahr hier mit mir gelebt hat, der in vielen entscheidenden Momenten an meiner Seite war, sogar bei meiner Verhaftung. Es ist gut, dass er nun seinen Weg gefunden hat und auch wenn der weit weg von meinem verläuft, er doch mit soviel Interesse und Wohlwollen dem gegenübersteht, was ich hier tue.

Ich danke meinem gar nicht mehr so kleinen Sohn Marco. Er ist ohne Vater aufgewachsen, damit Hunderte von Kinder hier in Sri Lanka einen Ersatzvater haben.

Ich danke meiner Familie und den wenigen Freunden, die geblieben sind. Selbst wenn sie sicher nicht immer verstehen konnten, warum ich selbst unter Gefahren weitergemacht habe und weitermache, so standen und stehen sie doch zu mir und dem, was ich zu meinem Lebenswerk gemacht habe: Little Smile Sri Lanka.

Ich danke allen Freunden, Helfern und Unterstützern, allen die uns Mittel, Gebet oder ein gutes Wort geschenkt haben auf dem langen und so schweren Weg.

Ich danke ALLEN, die uns nicht vergessen haben und uns bis heute begleiten!

Ausblick:

Gibt es nicht, weil erfahrungsgemäß ja doch alles anders kommt als man denkt. 
Wünsche habe ich freilich schon: Die Zeit, das Begonnene in gute Hände zu übergeben, die Kraft, Verrat und Betrug und die damit verbundenen Menschen bald endgültig hinter mir zu lassen. Mehr Mut in Sri Lanka, sich sozial zu engagieren und dass Frau Annkathrin Blank, die nach sechs Praktika im letzten Herbst ein deutliches JA zu Little Smile gesagt und hierher gekommen ist, da weitermacht in der Übernahme von Verantwortung, wo sie so gut in 2014 begonnen hat.
Manchmal blättere ich in einem unserer Gästebücher, lese Namen, manchmal erinnere ich mich an Begegnungen, sehe die guten Wünsche, die sie uns aufgeschrieben haben und hoffe, dass die Begegnung mit Little Smile für ihr Leben bereichernd und ermutigend war, dass wir also auch etwas von dem, was uns geschenkt wurde, zurückgeben konnten. Eines hat Little Smile in den 15 Jahren in jedem Fall bewiesen:
Nichts ist unmöglich, aber möglich wird nur das, was man mit ganzem Herzen, mit aller Kraft und voller Zuversicht jeden Moment seines Lebens einfach tut.

Nochmal 15 Jahre wird es für mich wohl kaum geben, dafür habe ich nicht gut genug auf mich und meine Gesundheit aufgepasst, nicht gut mit meinen Kräften gehaushaltet. Aber ich bin voller Zuversicht, dass es in 15 Jahren, also am 28. März 2029 die Idee Little Smile noch geben wird und viele Menschen, die dank Little Smile lächeln dürfen und ein Lächeln schenken.

Danke, Bohome Study, Nandri

am 28. März 2014, den 15. Jahrestag von Little Smile

Michael Kreitmeir